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Unter dem Banner von Dorsai

Unter dem Banner von Dorsai

Titel: Unter dem Banner von Dorsai
Autoren: Gordon R Dickson
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somit mitten im Regen.
    Ich reihte mich in die Gruppe von Menschen ein, die langsam durch den Mittelgang und an dem Toten vorbeischritten. Die Brüstungen rechts und links von mir, hinter denen die Gemeinde während der Messe stehen würde, waren im Halbdunkel kaum zu erkennen. Die Sparren des sich in einem spitzen Winkel nach oben hin verjüngenden Daches waren von Finsternis eingehüllt. Es gab keine Musik. Doch in den Geländerreihen zu beiden Seiten und in der Gruppe, mit der ich nun schritt, war das leise Flüstern von Stimmen zu vernehmen, die jede für sich allein beteten; und diese Stimmen vermischten sich zu einem rhythmischen Hauch von Melancholie und Trauer. Die Menschen hier waren alle sehr dunkel und wie Jamethon von nordafrikanischer Herkunft. Dunkles wurde in Dunkelheit getaucht und in der Düsternis vor meinen Blicken verborgen.
    Schließlich gelangte ich auf die Plattform und kam an Jamethon vorbei. Er sah so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Der Tod hatte nicht die Macht gehabt, sein Gesicht zu wandeln. Er lag auf dem Rücken, die Arme an den Seiten, und seine Lippen waren so fest und gerade wie immer. Seine Augen aber waren geschlossen.
    Aufgrund der Feuchtigkeit begann ich nun immer mehr zu hinken, und als ich mich von dem Toten abwandte, spürte ich, wie jemand meinen Ellbogen berührte. Ich drehte mich abrupt um. Ich trug nicht meine Korrespondentenuniform. Ich war in Zivil hier.
    Ich sah in das Gesicht des jungen Mädchens hinab, das ich in Jamethons Massivbild gesehen hatte. In dem grauen und trüben Licht hatte ihr glattes Gesicht Ähnlichkeit mit einer Madonna auf dem Kirchenfensterglas einer uralten Kathedrale von Alterde.
    „Sie sind verwundet worden“, sagte es in einer weichen Stimme zu mir. „Sie müssen einer der Söldner sein, die mit ihm auf Newton waren, bevor er nach Harmonie zurückbeordert wurde. Seine Familie, der ich ebenfalls angehöre, fände Trost vor dem Herrn, wenn Sie uns besuchten.“
    Der Wind wehte Regen durch die Dachöffnung über uns; die Nässe hüllte mich ganz ein, und ihre eisige Kälte jagte mir plötzlich einen so frostigen Schauer durch den ganzen Körper, daß mein Blut selbst zu gefrieren drohte.
    „Nein!“ sagte ich. „Das bin ich nicht. Ich kannte ihn nicht.“ Und ich wandte mich abrupt von ihr ab, drängte mich durch die Gruppe und eilte durch den Mittelgang von ihr fort.
    Nach etwa fünfzehn Metern kam mir zu Bewußtsein, was ich tat, und ich wurde langsamer. Das Mädchen war in der Dunkelheit der Körper hinter mir bereits nicht mehr zu sehen. Etwas ruhiger nun ging ich zum rückwärtigen Bereich der Kirche. Hier befand sich eine kleine freie Fläche, an die sich die langen Reihen der Geländer und Brüstungen anschlossen. Hier blieb ich stehen und beobachtete die hereinkommenden Kirchgänger. Und sie kamen ohne Ende. Sie traten ein, mit ihren schwarzen Gewändern und gesenkten Köpfen, und sie sprachen oder beteten mit leisen Stimmen.
    Ich blieb, wo ich war, ein wenig abseits des Eingangs. Ich war halb benommen, und meine Gedanken rannen nur träge dahin, als würden sie von dem Frost in meinen Gliedern und der Erschöpfung, die ich von der Erde mitgebracht hatte, eingefroren. Um mich herum summten die Stimmen. Ich döste fast, während ich reglos dastand. Ich konnte mich nicht daran erinnern, warum ich hierhergekommen war.
    Dann wehte mir eine Stimme aus dem Durcheinander entgegen, löste meine Benommenheit auf und brachte mich wieder in die Wirklichkeit zurück.
    „… er hat es abgestritten, aber ich bin sicher, er ist einer von diesen Söldnern, die mit Jamethon auf Newton waren. Er hinkt und kann nur ein Soldat sein, der einmal verwundet worden ist.“
    Es war die Stimme von Jamethons Schwester, und sie sprach nun mehr in dem Tonfall eines Quäkers, als das bei mir, einem Fremden gegenüber, der Fall gewesen war. Ich war nun wieder ganz wach und sah sie neben dem Eingang stehen, nur ein paar Meter von mir entfernt. Sie stand an der Seite von zwei gesetzten Leuten, die ich als das ältere Ehepaar auf Jamethons Massivbild wiedererkannte. Ein Blitz aus schierem und frostigen Schrecken durchfuhr mich.
    „Nein!“ Ich schrie sie fast an. „Ich kenne ihn nicht. Ich habe ihn nie gekannt. Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen!“ Und ich drehte mich um und stürzte durch das offene Portal aus der Kirche hinaus, in den Regen, in den Vorhang aus verschleiernder Nässe.
    Ich lief dreißig oder vierzig Meter weiter, wie von Sinnen. Dann stellte
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