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Unter deinem Stern

Unter deinem Stern

Titel: Unter deinem Stern
Autoren: Victoria Connelly
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Flur, während Claudie den Stapel durchging, der sich seit Freitag auf wundersame Weise in ihrem Eingangskorb angesammelt hatte.
    »Claudie?«
    »Ja?« Sie drehte sich um, doch es war niemand zu sehen. Seltsam. Sie war davon überzeugt, ihren Namen gehört zu haben. Na ja, vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet. In ihrem Kopf schwirrten immer noch viele Filmszenen umher.
    »Claudie!«
    Wieder drehte sie sich um. Jemand hatte ihren Namen gerufen, da war sie sich ganz sicher. Das war keine Einbildung.
    »Clau-die!«
    Das kam nicht von hinten. Es war auch niemand im Büro, der sie hätte rufen können. Sie schaute sich auf dem Schreibtisch um, lugte in den Stiftebecher, hob ein paar Zettel hoch und schaute hinter dem Computerbildschirm nach, als könnte dort ein kleiner Lautsprecher versteckt sein.
    »Ich bin hier! Hier oben!«
    Claudie blickte auf, und dort, auf dem riesigen Ficus hinter ihrem Schreibtisch, entdeckte sie die kleine Frau, die am Abend zuvor in ihrem Badezimmer auf den weißen Fliesen getanzt hatte.
    »Nun tu gefälligst nicht so überrascht! Du kannst mich doch sehen, oder?«
    Claudie nickte und starrte die winzige dunkelhaarige Frau in dem hellgelben Kleidchen an, die gemütlich auf einem der dickeren Äste des Ficus saß und fröhlich die Beine baumeln ließ.
    »Na, Gott sei Dank! Ich dachte schon, du würdest mich einfach ignorieren. Oder dass du mich womöglich gar nicht siehst. Die Leute versuchen immer wieder, uns wie Luft zu behandeln.«
    »Wie meinst du das?«, flüsterte Claudie und schaute sich hastig um, aus Furcht, jemand könnte sie dabei beobachten, wie sie mit einer Pflanze sprach.
    »Ach, du weißt schon – sie wollen die Kontrolle behalten – sie bilden sich gern ein, sie hätten alles im Griff und bräuchten unsere Hilfe nicht.«
    »Bist du etwa echt?« Claudie kniff verwirrt die Augen zusammen.
    »Natürlich bin ich echt«, erwiderte das kleine Wesen leicht gekränkt. »Traust du etwa deinen eigenen Augen nicht?«
    »Ehrlich gesagt, nein. Jedenfalls in letzter Zeit nicht mehr.«
    Die dunkelhaarige Frau schaute sie liebevoll an. »Die Menschen halten sich immer für unglaublich zäh, aber das sind sie nicht. Sie sind empfindlich. So zart und empfindlich wie Küken.« Sie sprach die Worte aus wie Zeilen eines Gedichts. »Und deswegen brauchen sie uns.«
    »Euch?«
    »Ja, uns.«
    »Soll das heißen, es gibt noch mehr von deiner Sorte?« Claudie schaute sich auf ihrem Schreibtisch um, darauf gefasst, jede Menge kleiner Leute dort zu entdecken.
    »Aber sicher! Diese Aufgabe könnte ich doch niemals allein bewältigen.«
    »Claudie!« Diesmal war es eine andere Stimme, die ihren Namen rief. Claudie erstarrte. Es war Mr Bartholomew. Wie lange stand er schon hinter ihr? Hatte er sie beobachtet? Hatte er gehört, wie sie mit einem Baum redete?
    »Stimmt irgendetwas nicht?«, fragte er, während er sie aus nächster Nähe musterte, was er normalerweise nie tat, und seine Adlernase direkt vor ihrem Gesicht war Claudie ziemlich unangenehm.
    »Es geht mir gut«, antwortete sie zögernd. Verstohlen warf sie noch einen kurzen Blick auf den Ficus. Die kleine Frau saß immer noch da, schaukelte mit den Beinen und summte leise vor sich hin.
    »Sind Sie ganz sicher?«, fragte er ganz langsam.
    Claudie nickte. Konnte es sein, dass er die kleine Frau nicht sah? Claudie blickte ihren Chef mit großen, fragenden Augen an.
    »Schauen Sie mal!«, sagte er, als ihm wieder einfiel, warum er an Claudies Schreibtisch gekommen war. »Ich habe in diesen Brief noch einige Stellen eingefügt. Könnten Sie das bitte für mich abtippen und mir bis zur Mittagspause drei Kopien davon machen?«
    Claudie nahm den Brief entgegen und nickte, bemüht, beim Anblick von all dem roten Gekritzel nicht das Gesicht zu verziehen. Die Seiten erinnerten sie unangenehm an ihre Klassenarbeiten.
    »Kein Problem«, sagte Claudie hastig, um ihm nicht das Gefühl zu geben, sie sei mit den Gedanken im Feenland. Im selben Augenblick zuckte sie innerlich zusammen und drehte sich noch einmal nach der kleinen Frau um, als ihr Chef wieder gegangen war. Konnte es sein, dass die winzige Gestalt eine Fee war? Und warum hatte ihr Chef sie nicht bemerkt?
    »Hör zu«, sagte Claudie, »ich will ja nicht unhöflich sein, aber was in aller Welt bist du eigentlich?«
    Die kleine Frau lächelte. »Bevor du es aussprichst – nein, ich bin keine Fee.« Sie hielt in gespielter Abwehr die Händchen hoch. »Das fragt mich jeder. «
    Claudie musste
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