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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau
Autoren: Christian Limmer
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widerstandsfähig. Ein Traum.«
    »Gut. Weil wo wir hinmüssen, da kann man mit dem Auto nicht hin. Da müssen wir zu Fuß gehen.«
    Lederers Schnauzer zuckte kurz.
    »Wie weit ist denn das?«
    Gisela schaute Richtung Wald, zuckte mit den Achseln.
    »Mei, Stund.«
    »Und wenn wir so nah wie möglich ranfahren? Kann man da irgendwo parken?«
    »Freilich. Ab da dauert’s dann eine Stunde.«
    Noch ein Schnauzerzucken.
    »Soll ich Ihnen bequemere Schuhe aus der Wache holen? In Ihrer Größe, glaub ich, haben wir noch was. Da ist der Schorsch rausgewachsen. Der hat die so ausgetreten, da schwimmt ein normaler Mensch drin. Aber Sie sind ja einen Kopf größer als der Schorsch, und wenn man die gut zuschnürt, dann passen die Ihnen sicher wie handgemacht.«
    Lederer beugte sich leicht vor.
    »Die Schuhe Ihrer Mitarbeiter werden mir nie passen, Frau Kollegin.« Sein kecker Blick unterstrich die Botschaft, dass er was Besseres war, etwas, wovon kleine Dorfpolizisten nur träumen konnten. »Fahren wir.«
    Er stieg ein. Gisela musste grinsen. Auch wenn Lederer ein Gockel und seine äußere Erscheinung gewohnheitsbedürftig war, so verlieh ihm dieses ungeheure Selbstbewusstsein einen ganz eigenen Charme. Er wusste, wer er war, und scheute sich nicht, es auch zu zeigen. Er war ein Alphatier, ein Leitwolf, ein Auserwählter.
    Der Auserwählte humpelte wenig später etwas fußlahm hinter Gisela her, die den ansteigenden Hohlweg mit kraftvollen Schritten entlangmarschierte. Sie schaute über die Schulter zu Lederer.
    »Geht’s?«
    Lederer nickte. Er war zu kurzatmig, um antworten zu können.
    »Wir sind gleich da, nur noch da hoch. Ist eine Abkürzung.« Gisela deutete zwischen die Bäume hindurch den steilen Hang hinauf. Sie schaute noch einmal zu Lederer und konnte den Schmerz seiner angeschwollenen Füße spüren, als wäre es ihr eigener. Sie hob einen armlangen, dicken Ast auf, hielt ihn Lederer hin. »Hier.«
    Lederer schüttelte den Kopf, winkte ab und stakste tapfer an Gisela vorbei, um den Hang zu erklimmen. Die glatten Sohlen seiner Straußenledercowboystiefel machten den Aufstieg jedoch zu einer Rutschpartie. Immer wieder musste Lederer sich entweder an einem Baum festhalten und hochziehen oder alle zehn Finger wie Steigeisen in den Waldboden krallen, um nicht die mühevoll gewonnenen Raummeter abzugeben. Kurz vor dem Gipfel nahm er dankbar Giselas Hilfe in Anspruch, die ihn den letzten Streckenabschnitt mittels des Astes wie an einer Abschleppstange hinter sich herzog.
    Oben erwartete Gisela und Lederer nur der Wald. Von Erwin und Richie keine Spur. Und auch das tote Mädchen war nirgendwo zu sehen. Gisela schaute sich verblüfft um, während Lederer mit aufgestützten Händen durchzuatmen versuchte.
    »Erwin! Richie!«
    Giselas Stimme hallte leise zwischen den Bäumen wider. Jetzt hatte Lederer genug Kraft getankt, sich wieder in aufrechte Position zu begeben und sich ebenfalls umzuschauen.
    »Erwin! Richie!« Gisela ging ein paar Schritte zum Bach, bemerkte dabei Erwins Erbrochenes. Sie blieb stehen, ihr Blick flitzte herum. Sie entdeckte die Leiche unter einer Decke aus Tannenzweigen.
    »Das ist jetzt hier aber nicht der gespielte Witz, oder?«, fragte Lederer.
    »Ein Witz schaut für mich anders aus.« Gisela deutete auf Schneewittchen. »Da ist sie.«
    Lederer näherte sich der Toten, zog sich Einweghandschuhe an und legte die Tannenzweige zur Seite.
    Gisela holte ihr Handy heraus, drückte die Kurzwahl. Kurz darauf schepperte im Wald die Titelmelodie von
Mission Impossible.
Lederer fotografierte derweil Schneewittchen und den Fundort.
    »Ja?«, flüsterte es aus dem Telefonhörer.
    »Sag einmal, wo seid ihr denn?«
    »Wir observieren.«
    »Ah, und wen?«
    »Kennen wir nicht. Aber der hat sich sehr verdächtig benommen, als er am Tatort vorbei ist.«
    »War er bei der Leiche?«
    »Nicht direkt. Der ist auf der anderen Seite vom Bach vorbeigegangen. Aber so wie der rumgeschaut hat, als wollte er die Tote nicht sehen, als hätt er Angst, hinzuschauen.«
    »Warum habt ihr ihn dann nicht aufgehalten?«
    »Könnt ja sein, dass es kein Einzeltäter ist.«
    Gisela atmete tief durch.
    »Kann es sein, dass ihr euch aus dem Staub gemacht habt, weil ihr Schiss hattet?«
    Keine Antwort war auch eine Antwort.
    »Ihr dreht jetzt sofort um und kommt her.«
    »Gisela … echt …«
    »Sofort!« Gisela brüllte so laut, dass sie selbst ohne Telefon ihren Adressaten erreicht hätte. Sie schaute entschuldigend zu Lederer, beendete
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