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Unter aller Sau

Unter aller Sau

Titel: Unter aller Sau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Limmer
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fotografischen Sicherung einen Apparat mit hoher Auflösung verwenden sollte und keinen Schnappschussjapaner vom Lidl so wie Ihren.«
    Lederer war mehr als verdutzt über Giselas Attacke, er war sprachlos.
    »Wir sind vielleicht nicht so viele Leichen wie Sie gewohnt, aber ganz auf der Brennsuppe sind wir auch nicht dahergeschwommen«, setzte sie nach.
    »Wir haben regelmäßig Fortbildung«, fühlte sich Erwin bemüßigt zu sagen. Lederer schnaubte.
    »Theorie, reine Theorie.« Lederer ließ die Streifenbeamten seine Verachtung deutlich spüren.
    »Besser als nichts, oder?«, brummte Richie herausfordernd. In seinen Augen glomm jetzt ein Funke, den Gisela sehr selten sah. Lederers Überheblichkeit zündelte, ohne dass er es ahnte. Was es bedeutete, wenn Richie richtig ausflippte, das wusste Gisela, dann drohte ein Flächenbrand. Das wollte sie nicht riskieren. Sie schaute Lederer fragend an.
    »Also? Gehen wir?«
    Lederer atmete einmal tief durch, nickte. Ein letzter finsterer Blick zu Richie, dann folgte Lederer Gisela den Abhang hinunter.
    Erwin und Richie schauten den beiden nach.
    »So ein Depp«, sagte Erwin.
    »Der macht uns Schwierigkeiten, das hab ich im Urin«, fügte Richie hinzu. »Richtige Schwierigkeiten.«
     
    Zwei Stunden später war die Spurensicherung vor Ort. Erwin und Richie verzogen sich so schnell wie möglich aus Lederers Blickfeld, der die Untersuchungen mit breiter Brust leitete. Gisela wäre gerne noch länger geblieben, denn sosehr sie die Leiche auch abstieß, so neugierig war sie doch, wie die Mordkommission arbeitete. Aber es war kurz vor fünf Uhr nachmittags, und ihr Vater musste in einer guten Stunde was zu essen kriegen. Die Regelmäßigkeit seines Tagesablaufs war so wichtig für sein Wohlergehen, dass Gisela alles andere hintanstellte. Auf dem Rückweg holte sie bei Schorschs Vater, dem Metzger Kramer, ein Pfund Leberkäs und vier Brezen. Zu Hause saß Jakob schon mit der Serviette um den Hals am Tisch, den Blick auf die grasgrüne Uhr über der Küchentür gerichtet. Vor ihm stand ein Teller, das Besteck lag säuberlich daneben, und im Weißbierglas perlte ein kühles Dunkles. Gisela hetzte herein.
    »So, da bin ich schon, Papa.«
    Mit flinken Fingern riss sie die Tüte auf und ließ den Leberkäs direkt vom Papier auf Jakobs Teller rutschen. Die Brezen in den Brotkorb, den scharfen Senf aus der Tube auf den Teller gedrückt und das Radio angemacht. Bayern 1 , leise Heimatmusik. Alles rechtzeitig geschafft. Gott sei Dank.
    Jakob starrte weiter regungslos auf die Uhr.
    Gisela rätselte, was sie vergessen haben könnte, weil er nicht anfing zu essen. Sie wusste, es hatte keinen Zweck, ihn zu fragen, er würde ihre Frage gar nicht verstehen. Es gab zu viele Sackgassen in den verknöcherten Bahnen seines Gehirns, in die die Wörter rutschten und wo sie bedeutungslos wurden.
    Eine Träne. Noch eine. Und noch eine. Jakob weinte leise. Erschrocken setzte sich Gisela zu ihrem Vater, nahm seine Hand, drückte sie tröstend.
    »Papa.«
    Jakob schaute Gisela mit nassen Wangen an.
    »Kommt die Mama heute nicht?«
    Gisela zuckte kurz zusammen. Sie kannte diesen Satz zur Genüge, trotzdem erschrak sie immer wieder, wenn sie ihn hörte. Sie zwang sich zu ihrer Standardantwort.
    »Die ist doch noch auf Kur.«
    »Kommt sie nicht?«
    »Die Kur ist erst nächste Woche vorbei. Dann kommt sie wieder.«
    »Und wer bringt mich dann zur Schule?« Seine Stimme brach sich, Rotz lief ihm aus der Nase. »Ich find da alleine doch nicht hin.«
    Das Zimmer um sie herum verschwamm, die Geräusche verdampften, Schwindel erfasste Gisela, ihr Kopf wurde ganz leicht und leer. Es fühlte sich wie ein Absturz an, von ganz weit oben. Es kam unerwartet, und das, obwohl sie sich die letzten Jahre daran gewöhnt hatte, dass das Langzeitgedächtnis immer dominanter wurde. Aber es war eine Sache, sich darauf vorzubereiten, eine andere, den Satz zu hören, der es bestätigte. Gisela hatte eine Scheißangst, dass es mit ihrem Vater jetzt rapide bergab ginge. Sie fühlte sich machtlos, und am liebsten hätte sie auch geheult, aber das erlaubte sie sich nicht. Sie wollte stark sein, sie war immer stark gewesen, und so ein kleiner Satz würde sie jetzt nicht aus den Schuhen hauen. Nein, bestimmt nicht. Allmählich wurden die Konturen im Zimmer wieder schärfer. Sie rief sich den Rat Doktor Rothalers in Erinnerung. Mit der Serviette wischte sie Jakob die Tränen und den Rotz ab.
    »Weißt was, wir beide gehen morgen zusammen den

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