Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unsterbliche Bande

Unsterbliche Bande

Titel: Unsterbliche Bande
Autoren: Eileen Wilks
Vom Netzwerk:
Anne hieß. Anne Murdock.
    Anne ging sofort ans Telefon. Nachdem Lily sich für die Störung entschuldigt hatte, sagte sie: »Er ist wieder da.«
    »Dieser Geist?« Anne war hörbar überrascht. »Wie hieß er doch gleich – Hammond?«
    »Drummond. Er ist plötzlich einfach aufgetaucht. Im Moment guckt er mich böse an.«
    »Ist er noch kohärent?«
    »In dem Sinne, in dem du das Wort verwendest, ja.«
    Anne stieß ein leises frustriertes Schnauben aus. »Ich wünschte, ich könnte mit ihm reden. Ich habe seit meinem siebten Lebensjahr keinen voll kohärenten Geist mehr erlebt, und dieser weibliche Geist ist verschwunden, nachdem meine Mutter mit ihr gesprochen hatte.«
    Lily wusste, was Anne mit »kohärent« meinte, weil sie, kurz nachdem Drummond ihr das erste Mal erschienen war, darüber gesprochen hatten. Die meisten Geister waren mehr eine Gewohnheit als eine echte Person – eine tief verwurzelte Handlung oder Angst oder ein Moment, der sich immer und immer wiederholte, ein leichtes Kräuseln der Luft, das der Weggang der Seele verursachte und nicht die Seele selbst. Andere waren wie echte Menschen miteinander umzugehen in der Lage, wenn auch in begrenztem Umfang, aber oftmals wussten die wenigen Lebenden, die sie sehen oder hören konnten, nichts mit ihnen anzufangen.
    Doch es gab ein paar wenige Ausnahmen. Voll kohärente Geister, wie die Rhej der Etorri sie nannte. Die Fachleute waren sich nicht einig darüber, was sie waren oder wie sie entstanden, nur dass sie anders waren als die anderen, darin stimmten alle überein. Ein kohärenter Geist war wie die Person, die er im Leben gewesen war. Er oder sie nahm weiter die Welt der Lebenden wahr, anscheinend auch mit den gleichen Sinnen wie sie, und benutzte Sprache so wie sie. Doch eines galt auch für kohärente Geister: Sie waren an etwas gebunden – an einen Ort, einen Gegenstand oder, sehr selten, an eine Person.
    Wie kam Lily nur zu diesem Glück? »Er sagt, er sei an mich gebunden, aber einen Monat weggewesen.«
    »Ich fürchte, dafür habe ich keine Erklärung.«
    »Er auch nicht. Außerdem sagt er, er glaube, er solle mein Partner sein.«
    »Fragst du mich um Rat?«
    »Kann man irgendwie gute Geister von miesen, verlogenen unterscheiden?«
    Anne kicherte. »Auf dieselbe Weise wie die Lebenden. Natürlich kannst du herausfinden, ob er lügt. Aber er könnte ebenso gut die Wahrheit sagen oder das, was er für die Wahrheit hält. Wir wissen zwar nicht viel über kohärente Geister, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, sie seien nicht genauso konfus wie wir.«
    Lily zögerte, ob sie die nächste Frage stellen sollte – aber sie musste es wissen. »Könnte es sein, dass er glaubt, er müsse mir helfen, weil es da noch etwas Unerledigtes gibt? Und wenn er es getan hat … kann er dann gehen?«
    »Die Erklärung mit dem ›Unerledigten‹ trifft meiner Ansicht nach nicht pauschal auf alle Geister zu. Fast jeder von uns lässt etwas Unerledigtes zurück, aber kaum einer bleibt noch länger als einige Momente. Trotzdem gibt es unter den kohärenteren Geistern welche, die fest daran glauben, dass sie nicht auf die andere Seite passieren können. Entweder haben sie recht, oder ihr Glaube daran hält sie hier zurück.«
    »Dann ist es also möglich, dass Drummond mit mir zusammenarbeiten soll und nicht, äh … passieren kann, bevor er das nicht erledigt hat. Oder eine Schuld beglichen hat oder so. Oder er steckt hier fest, weil er glaubt, er stecke hier fest.«
    »Ungefähr so, ja. Ich bin dir keine große Hilfe, nicht wahr?«
    Eigentlich nicht. »Noch eine Frage, die vielleicht nicht in dein Fachgebiet fällt, weil es eher um etwas … ich würde sagen Ethisches geht. Gilt diese Verpflichtung für beide Beteiligte? Verpflichtet mich die Tatsache, dass Drummond an mich gebunden ist, in irgendeiner Weise?«
    Anne schwieg lange. »Ich kann nur weitergeben, was meine Mutter mir gesagt hat, die es von ihrer Mutter hat und so weiter, über einige Generationen hinweg. Wir schulden den Toten nicht mehr als den Lebenden. Und auch nicht weniger.«
    Das war nicht das, was Lily hatte hören wollen. Trotzdem dankte sie der Rhej, legte auf und wandte sich dem Mann zu – oder was von dem Mann übrig war –, der sie mürrisch ansah.
    »Und?«, fragte er. »Hat deine Freundin dir weiterhelfen können?«
    »Vielleicht.« Drummond für immer loszuwerden stand ganz oben auf ihrer Prioritätenliste. Wenn er meinte, er müsste ihr unbedingt helfen … doch mit Bestimmtheit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher