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Unsterbliche Bande

Unsterbliche Bande

Titel: Unsterbliche Bande
Autoren: Eileen Wilks
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besaß, einen Scharfschützen einen Monat lang rund um die Uhr vor Ort einzusetzen. Und eigentlich bezweifelte sie noch mehr, dass er überhaupt wusste, dass sie sich den Plan besorgt hatte.
    Doch da er über ein Mittel verfügte, das sie weder vorhersehen noch in irgendeiner aussagekräftigen Form einschätzen konnte, war es auch möglich, dass sie sich irrte. Nun, wenn es so war, dann hatte sie jedenfalls Verstärkung dabei.
    Manchmal ist eine Bezeichnung ausschlaggebend.
    Monatelang hatte sie nicht akzeptieren wollen, dass sie Leibwächter brauchte. Nein, berichtigte sie sich, als sie einen schmalen Weg einschlug, der sich durch den Friedhof in die Richtung schlängelte, in die sie gehen musste. Sie hatte allein schon den Gedanken daran gehasst. Die Wachen überallhin mitnehmen zu müssen, die fehlende Privatsphäre … und ganz besonders schlimm war ihr die Vorstellung gewesen, dass einer von ihnen vielleicht sein Leben für sie würde geben müssen. Ja, sie brauchte Leibwächter, daran gab es nichts zu rütteln, doch das zu akzeptieren war ihr äußerst schwergefallen und hatte sich in Reizbarkeit und dem ein oder anderen unfreundlichen Wort bemerkbar gemacht.
    Letzte Woche, als sie sich wieder einmal beschwerte, hatte Rule den Kopf geschüttelt und gesagt: »Ich verstehe dich nicht. Hast du denn nie um Verstärkung gebeten, als du noch ein normaler Cop warst? Das ist dir doch auch nicht auf die Nerven gegangen.«
    »Verstärkung«, hatte sie langsam wiederholt. Und sagte es noch einmal, als sich die Last langsam von ihr hob, nicht ganz, aber doch so, dass sie angenehmer zu tragen war, so als würde sie einen BH oder ein Schulterholster überstreifen. »Verstärkung, keine Leibwächter. Sie sind meine mobile Verstärkung.«
    Gefolgt von der einen Hälfte ihrer mobilen Verstärkung – dem Nerd, alias Scott White, der sich sehr viel mehr für Schusswaffen und Messer interessierte als für Computer –, trat Lily nun von dem Weg ins weiche Gras und ging zwischen den Ruhestätten der Toten weiter.
    Ihr Ziel lag im neuesten Abschnitt der Anlage. Für diesen Teil des Landes war Mount Hope ein alter Friedhof, eine Ansammlung von Gräbern, deren Pflege die Stadt im Laufe der Jahre übernommen hatte, mit vielen eingewachsenen Bäumen und altmodischen Grabsteinen. Hier an dieser Stelle jedoch war alles im sogenannten Gartenstil gehalten, mit ordentlich gemähtem Rasen und flachen, in die Erde eingelassenen Platten, in denen sich kleine Einsätze für Blumen befanden.
    Das Gras war feucht und federte unter ihren Schritten, und sein Duft erfüllte die Luft. In anderen Teilen des Landes dachten die Leute beim Geruch von frisch gemähtem Gras an Sommer. Für Lily rief es Erinnerungen an Winter wach. Da kam der Regen, und das Gras wurde saftig und grün und musste geschnitten werden. Dieses Jahr war der Dezember ungewöhnlich nass gewesen und hatte sie mit fast einhundertsiebenundzwanzig Millimeter Niederschlag beglückt. Lily ging auf dem weichen Gras zwischen den Gräbern der vielen Unbekannten hindurch bis zu dem Grab der einen, die sie gekannt hatte.
    Sie hatte keine Blumen mitgebracht. Blumen auf das Grab einer Frau zu legen, die man selbst getötet hatte, wäre geschmacklos gewesen. Vor allem, wenn man es nicht bereute.
    Lily zählte erst die Reihen, drehte sich dann um und zählte die Gräber. Mike konnte sie nirgendwo entdecken, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Lupi verstanden es ausgezeichnet, sich unsichtbar zu machen.
    Und da war es. Lily blieb stehen.
    Offenbar hatte aber jemand anders Blumen gebracht.
    Keinen teuren Strauß. Eher die Art, die man im Supermarkt bekommt, mit ein paar gefärbten Nelken und Schleierkraut als Beiwerk. Rosa und rote Nelken in diesem Fall. In dem Glaszylinder, in dem der Strauß steckte, standen ein paar Zentimeter Wasser.
    War dies das richtige Grab? Vielleicht hatte sie sich verzählt. Sie kniete sich neben die Grabplatte, betrachtete stirnrunzelnd den unerwarteten Blumenschmuck und las dann mithilfe der Stiftlampe die Inschrift des Steins:
    HELEN ANNABELLE WHITEHEAD
    Als Lily Helen vor etwas mehr als einem Jahr getötet hatte, kannte sie ihren Nachnamen nicht. Außer den wenigen wichtigsten Fakten hatte sie gar nicht viel über sie gewusst. Helen war der allgemein gängigen Vorstellung von Telepathen gerecht geworden – sie war total wahnsinnig gewesen. Sie folterte und tötete, versuchte ein Höllentor zu öffnen und wollte Lilys Geliebten an die Große Alte verfüttern, der
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