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Unsichtbare Kräfte

Titel: Unsichtbare Kräfte
Autoren: Hans Dominik
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automatische Steuerung ist eingestellt. Und die Route auf dem Kartentisch, rot eingezeichnet, führt von Florianopolis nach Nordvenezuela. »San Fernando« liest Droste bei scharfem Hinsehen.
    Er nimmt das Besteck, stellt den Stand der Jacht fest. Ist das nicht alles Täuschung, Trugbild verstörter Phantasie, so muß er in Kürze die Gestade von Carupano sehen. Er greift zu einem Glas, blickt angestrengt nach Süden. Dort jetzt ein grauer Strich, der größer und größer wird! Fast hätte er aufgeschrien, denn es sind die ihm wohlbekannten Umrisse der Küste, die da vor ihm auftauchen!
    Noch ein Blick auf die Steuerung, dann wankt er in die Kabine, sinkt auf das Bett. Nicht länger tragen ihn die zitternden Knie. Sein Auge fällt auf eine Flasche. Er schenkt sich ein, trinkt. Der feurige Wein belebt ihn.
    Kein Traum mehr jetzt alles: Er ist frei! Das Übermaß der Freude läßt ihn halb bewußtlos zurücksinken.
    Als er wieder zu sich kommt, ist die Sonne ein gutes Stück nach Westen weitergegangen. Er eilt in den Führerstand, schaut nach unten.
    Die Kämme der Küstengebirge von Venezuela liegen hinter ihm. Er reißt das Glas vor die Augen: Dort grüßen die Türme von San Fernando!
    Ein kurzes Überlegen - dann stellt er das Steuer um in Richtung auf La Venta. Sieht wenige Minuten darauf dessen weiße Mauern aus dem dunklen Grün der Bäume leuchten.
    Doch je näher das Ziel, desto größer die Schwäche in ihm. Mit zitternden Händen bedient er die Apparate - sieht nicht mehr, wie beim Nahen der Flugjacht Menschen aus dem Hause kommen, ihm erwartungsvoll entgegenwinken.
    Er fühlt noch eben, wie die Jacht aufsetzt. Die Tür wird von außen aufgerissen. Wildrakes Stimme schreit ihm in höchster Überraschung entgegen: »Medardus Droste, wo kommst du her?«
    Da schwindet der Rest seiner Besinnung ...
    Seit Tagen kam außer dem Arzt niemand mit William Hogan in Berührung. Aus Florianopolis nach Hause gebracht, war er in ein Fieber verfallen.
    Der Arzt wußte sich keinen Rat. Eine seelische Erschütterung schwerster Art mußte Hogan getroffen haben. Sein Zustand war schwankend: Stunden tiefster Lethargie wechselten mit wilden Fieberdelirien. In unzusammenhängenden, unverständlichen Worten schrie er nach seinem »Sohn«. Nannte ihn bald Medardus Roßmore, bald Medardus Hogan. Man solle ihn zu ihm bringen!
    Der Arzt hatte mit José, Hogans langjährigem Diener, gesprochen. Der schüttelte den Kopf. Sein Herr hatte nie einen Sohn gehabt. Die Ehe mit Maria Potter war kinderlos.
    Dann wieder, als übermanne ihn die Ungeduld, wollte der Kranke aus dem Bett springen, wollte selbst zu Medardus, seinem Sohn, eilen. Wurde er dann mit Gewalt wieder aufs Lager gebracht, so fing er an zu jammern und zu klagen.
    »... Medardus ist krank - gefangen! Er muß sterben, wenn ich ihn nicht befreie - rette -!«
    Schauerlich klang’s, wenn er immer wieder schrie: »Ich bin dein Mörder, Vivian! Doch du wurdest gerächt! Freudlos, glücklos mein Leben an der Seite Maria Potters - ihr Schoß unfruchtbar - keinen Erben konnte sie mir schenken. Der, den du, Vivian, mir gabst - wo ist er? - Komm zu mir, Medardus, daß ich dich umarme! All meinen Reichtum will ich dir ... Nein! Meine Liebe - nicht den Reichtum - denn nur Unglück brachte er mir!
    Die einzigen glücklichen Stunden in meinem Leben waren die mit Vivian Doherty. Doch die Erinnerungen daran vergiftete das Bewußtsein meiner Schuld, die mich nie zur Ruhe kommen ließ.
    Als einziger Trost, mein Unrecht zu sühnen, bliebe, daß ich Vivians Sohn vor aller Welt als William Hogans Erben anerkenne. Wenn der die Arme um mich schlänge, mich >Vater< nennte - vielleicht könnte ich dann den Rest meiner Tage weniger freudlos, weniger kummervoll verbringen. Medardus, mein Sohn! Komm zu deinem Vater!«
    Flehend stammelten seine Lippen es immer wieder. »Medardus! Wer taufte dich so? Wer wußte von meiner Liebe zu Vivian Doherty? Wer weiß, daß Medardus mein Sohn ist?
    Die Stimme, die im Gefängnis zu mir redete - war’s die eines Menschen?«
    Der Ring am Finger des Gefangenen - der Wappenring der Roßmore? - Kein Sterblicher hat von jener Stunde gewußt, da Vivian in seinen Armen gelegen, sein geworden war - und er ihr den Ring als Unterpfand der Treue gegeben - Der Ring - wie kam er an die Hand des zum Tode Verurteilten?
    Hogan sank erschöpft in die Kissen. —
    »Unmöglich, mein Herr! Señor Hogan ist krank, kann keinen Besuch empfangen.«
    Der Diener José sprach’s zu einem alten,
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