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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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gegen den Wind aufsteigen, genau wie ein Vogel.
    Jetzt blieb es am Ende einer langen, unendlich langen Bahn stehen. Und jetzt brausten die Motoren auf, eine siegesstolze Melodie, die davon berichtete, welche Kraft ihnen innewohnte, wie sicher und gleichmäßig sie alle diese Menschen in die blaue Frühlingsluft hinaufheben und sicher in den Hafen bringen würden.
    Vorwärts – schneller – schneller – jetzt jagten sie an dem weißen Gebäude vorüber – und jetzt – jetzt hob sich der schwere Vogel – höher – höher – nein, um Gottes willen, jetzt lag die Erde ganz schief vor ihr –, ganz schief. Claudia kniff die Augen zusammen. Dann mußte sie lachen. Das Flugzeug machte ja nur eine Kurve! Jetzt richtete es sich wieder gerade, stieg noch mehr – jetzt ging es in Fluglage – die leuchtenden Buchstaben verlöschten, jetzt durften die Passagiere die Sicherheitsgurte wieder abschnallen.
    Claudia preßte die Nase an der Scheibe flach. Unter ihr lag glitzerndes Wasser, das war der Mälarsee – erst jetzt konnte sie so richtig alle Ufer und Buchten sehen –, ach, wie schön er war! Aber bald blieb der Mälar zurück, jetzt kamen sie über Äcker und Wiesen, die Erde dort unten sah aus wie ein Schachbrett, so hübsch und regelmäßig waren die Vierecke der Felder. Dort unten – ach, dort unten –, da lief wie ein schmales weißes Band eine Straße dahin, und winzig kleines Gewürm bewegte sich darauf vorwärts. Gleich darauf sah Claudia, wie in einem dünnen, glänzenden Faden die Sonne auffunkelte. Es dauerte einen Augenblick, bis sie erkannte, daß es ein Schienenstrang war. Vielleicht war es derselbe, auf dem sie entlanggefahren war, als sie nach Stockholm reiste? O, wie weit lag das zurück im Grunde! Ihr war jetzt leichter ums Herz. Sie war so von Glück erfüllt, so von Freude und Dankbarkeit beseelt!
    Irgend jemand tippte ihr auf den Arm. Eine der beiden Stewardessen stand mit einem Tablett in der Hand. Ein Kissen wurde Claudia auf den Schoß gelegt, und auf dies wurde das Tablett mit himmelblauem Bakelit-Service gestellt. Die Stewardeß fragte etwas, das Claudia nicht verstand. Vielleicht war die Stewardeß Dänin?
    Claudia sagte: „Wie bitte?“ und sofort ging das junge Mädchen zu fließendem Deutsch über. Ob Claudia Tee oder Kaffee haben wolle?
    Claudia bat um Tee, und nun ließ sie sich die köstlichen Butterbrote munden. Wie wunderhübsch alles war – die durchsichtige Gabel und das Messer aus irgendeinem Kunststoff, und das Messer war sogar scharf –, das Besteck war in eine kleine Zellophanhülle eingepackt. Salz und Pfeffer in kleinen Stanniolpackungen – es war doch wohl kein Diebstahl, wenn sie die in die Tasche steckte? Sie wollte sie Mutti zeigen. Und die Brote schmeckten himmlisch, und auf einem Teller daneben lagen eine Apfelsine, ein Apfel und eine Banane und ein Stück Hefegebäck. Du liebe Zeit, das war ja ein ganzes Lunch.
    Claudia sah auf die Uhr. Bald zwei. In gut drei Stunden war sie da, war bei Mutti – und bei Onkel Peter. Sie freute sich so, daß sie meinte, alle Mitreisenden müßten es ihr ansehen!
    Hin und wieder kam eine Stimme durch den Lautsprecher. Es war der Flugzeugführer, der Bescheid gab, wo sie sich befanden, in welcher Höhe sie flogen, wie die Wetteraussichten waren, und wann sie voraussichtlich landen würden. Alles wurde in drei Sprachen durchgegeben – auf dänisch, auf englisch und auf deutsch.
    Von jetzt ab werde ich immer fliegen, dachte Claudia. Und dann mußte sie über sich selber lachen. Wer sollte wohl ihre Flugkarte bezahlen?
    Ja, aber vielleicht konnte sie Stewardeß werden? Das mußte doch etwas sein! Sie konnte jetzt deutsch und schwedisch sprechen, im Englischen war sie gut – und Französisch zu lernen, das würde sie wohl gewiß noch schaffen – wenn andere das konnten, so konnte sie es auch.
    Claudia verlor sich völlig in Zukunftsträumen, oder richtiger, sie flog zu den Träumen hinauf, denn ihre Zukunft stellte sie sich im Augenblick oben in der Bläue des Himmels vor. Und Claudia machte sich nicht die Ungelegenheit, an unangenehme Dinge zu denken wie Unwetter und luftkranke Fluggäste, denen man helfen, die man beruhigen mußte, oder an unangenehme Fluggäste, die unerfüllbare Forderungen stellten. Nein, alles war in Claudias Vorstellung licht und schön und himmelblau.
    Sie wurde in die Wirklichkeit zurückgerissen durch die Stimme des Flugzeugführers, der sagte, sie kämen nun gleich über den öresund und landeten in
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