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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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studentischen Sitten in dieser alten, traditionsreichen Stadt erzählt.
    Onkel Bo und Tante Helga waren unvergleichlich. Sie hatten es sich wirklich angelegen sein lassen, daß Claudia in Stockholm und Umgebung zu sehen bekam, was zu sehen sich verlohnte.
    Claudia sah auf die Uhr. Jetzt würde Tante Helga wohl gleich in die Stadt gehen, und Claudia sollte Brüderchen ausfahren. Sie zog ihm den kleinen, blauen Mantel an, die Gamaschenhosen, stülpte ihm die Strickmütze über und die Fäustlinge auf die Hände. Sie zog sich selbst auch warm an. Diese Frühlingsluft sei gefährlich, sagte Tante Helga.
    Bertil plapperte und schwatzte deutsch und schwedisch durcheinander, und Claudia rollte die Sportkarre in den Park. Hier durfte Brüderchen auf seinen dicken Beinchen herumstrampeln, hier fütterten sie die Enten und hatten riesig viel Kurzweil.
    Claudia gab auf Bertil acht, aber ihre Gedanken waren anderswo. Ihre Gedanken waren daheim bei Mutti. Claudia sehnte sich nach ihrer Mutter – so gut sie es auch hier bei Tante Helga und Onkel Bo hatte.
    Sie dachte auch an Karin. Karin war jeden Nachmittag fort, sie trainierte in der Turnhalle. Sobald das Wetter etwas wärmer wurde, wollte sie anfangen, draußen zu trainieren, für die Sportveranstaltungen im Sommer in der Leichtathletik.
    Karin hatte eine neue Freundin, mit der sie früh und spät zusammen war. Die hieß Hillevi und war Juniorenmeisterin im Hochsprung und Diskuswerfen. Außerdem sammelte sie Filmbilder, und Karin tat desgleichen. Die ganze Wand über Karins Bett hing voll von Filmhelden und platinblonden Filmschönheiten.
    Claudia hatte sich so völlig in ihren eigenen Gedanken verloren, daß sie nicht gemerkt hatte, wie der Himmel sich überzog. Es kam ihr erst zum Bewußtsein, als ihr ein Regentropfen auf die Nase fiel.
    Ach du liebe Zeit – Brüderchen wurde jetzt patschnaß.
    In größter Eile schnallte sie ihn in der Sportkarre fest, und dann ging es in vollem Galopp nach Hause. Bertil war unmutig, er weinte vor sich hin und fror.
    Tante Helga war noch nicht zurückgekommen. Claudia lächelte, als sie die Wohnungstür aufschloß. An den Vormittagen, wenn sie mit Bertil draußen war, hatte sie den Schlüssel mit. Aber sie trug ihn nicht mehr um den Hals. Er lag wohlverwahrt in ihrer Tasche, und die Tasche hatte einen Reißverschluß.
    Claudia zog Bertil die nassen Kleider aus, hängte sie zum Trocknen auf und zog ihm von oben bis unten neue Sachen an. Sie gab ihm einen Zwieback, an dem er knabbern konnte, und dann herrschte wieder eitel Ruhe und Frieden.
    Sie war gerade damit beschäftigt, Nystan etwas Milch einzufüllen, als Tante Helga kam.
    „Du, Claudia“, lachte die Tante, „ich glaube wirklich, ich unterschlage dich deinen Eltern. Ich kann dich überhaupt nicht mehr entbehren!“
    Claudia lächelte.
    „Fein, daß du das sagst, Tante Helga, aber einmal muß ich ja nach Hause zu Mutti.“
    „Das wirst du wohl müssen“, seufzte Tante Helga. „Hallo, da haben wir ja Karin schon!“ Es hatte zweimal geschellt, und Tante Helga ging, um zu öffnen.
    „Nun, mein Herz, wie ist es in der Schule gegangen?“ fragte sie.
    „Gut“, sagte Karin. „Ich bin zum Glück nicht drangekommen“, fügte sie hinzu. „Mama, ich fahre morgen zum Wochenende weg. Hillevi fährt zu ihrer Großmutter nach Sigtuna und hat mich eingeladen, mitzukommen. Gleich morgen von der Schule, und Sonntag abend kommen wir wieder.“
    „Das ist aber reizend für dich, mein Kind“, sagte Tante Helga. „Ach Claudia, ich hab’ vergessen, Zucker mitzubringen – würdest du so freundlich sein und mir schnell noch welchen holen – gleich hier unten an der Ecke? Du wärst ein Engel, Claudia.“
    „Das kann ich doch auch tun“, sagte Karin, aber ihre Stimme klang nur hart vor Trotz.
    „Da hast du allerdings recht“, meinte Tante Helga. „Es ist mir ganz zur Gewohnheit geworden, Claudia um alles zu bitten.“
    „Das merke ich“, sagte Karin, machte kehrtum und verschwand in ihrem Zimmer.
    Claudia nahm schweigend das Einkaufsnetz vom Haken und ging. Es machte immer solche Freude, Tante Helga kleine Gefälligkeiten zu erweisen – warum konnte Karin es nicht leiden, daß sie, Claudia, es tat? Karin hatte doch die Schule und die Aufgaben und all ihren Sport, sie hatte ja doch keine Zeit, der Mutter zu helfen. Claudia seufzte.
    Am Samstag vormittag machte Tante Helga die Wohnung sauber.
    „Weißt du was, Claudia“, sagte sie, „wir nutzen die Gelegenheit aus, während Karin
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