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Unsere Claudia

Unsere Claudia

Titel: Unsere Claudia
Autoren: Berte Bratt
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ausgegeben, und du hast sogar Ehren damit eingeheimst. Als Claudia sagte, es sei unfair, für sich allein teilzunehmen, da sagtest du, ihr wolltet es zusammen tun. Aber was ist unfairer? Du hättest Claudia gleich sagen müssen, du wolltest ihren Anteil an der Lösung verwenden, und sie hätte dann dagegen deinen verwenden und für sich einschicken können. Aber das hast du nicht getan. Karin ist Zeuge. Jetzt möchte ich gern wissen, was du zu tun gedenkst! Bitte, du mußt dich jetzt äußern.“
    Ullas Augen irrten wieder hin und her. Onkel Bo war ganz ruhig. Er wandte den Blick nicht von Ulla. Und Claudia fand es so gut, daß der Onkel an ihrer Statt sprach, sie fühlte sich so geborgen, weil er für sie handelte und ihr gegen diese schreiende Ungerechtigkeit Beistand leistete.
    Plötzlich schlug Ulla die Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus. Sie suchte in der Schürzentasche nach dem Taschentuch, fand keins und wischte sich das Gesicht mit dem Schürzenzipfel ab.
    Onkel Bo und Claudia warteten. Claudias Augen schweiften in der Stube umher. Sie kam ihr so bekannt vor. Ein kleiner Schreibtisch stand drüben in einer Ecke, so unverkennbar der Schreibtisch einer Frau. Da stand ein Nähtisch, er war ein wenig offen, irgend etwas hatte sich zwischen Deckel und Kasten geklemmt, so daß der Deckel nicht zuschloß. Ein Stopfkorb stand da, voller Strümpfe. In diesem Zimmer gab es nichts, was von einem Familienvater zeugte. Alles zeugte nur von Frauen – von Frauen, die zu viel zu tun hatten, von Frauen – nein, von einer Frau – die gezwungen war, ihr Haus zu vernachlässigen, einer werktätigen Frau –, einer angestrengten Berufsfrau.
    Claudias Blick schweifte weiter. Er blieb an einem kleinen Gegenstand haften, einem Gegenstand, der einen Strom des Begreifens in ihr aufwallen, einem Gegenstand, der ihr Gemüt im Nu völlig weich werden ließ, einem Gegenstand, der zu ihr zu sprechen schien, wie er dort auf dem Rand des Schreibtisches lag.
    „Ich habe einmal dein Leben bestimmt“, sagte der Gegenstand. „Ich war ein Teil deines Lebens. Ich habe dir sogar einen Namen gegeben. Ich gebe diesen Namen allen Kindern, die von mir abhängig sind. Du brauchst mich jetzt nicht mehr! Du hast dein Schäfchen im trocknen! Aber Ulla braucht mich. Ulla kann mich nicht entbehren. Ich bin eine Macht, wie ich hier liege. Ein kleines Stück Metall. Ein kleines, gefeiltes Stück Metall. Ein Stück kaltes Metall, das warme Mutterhände ersetzt, warme, liebevolle Mutterhände, die ein Verlangen danach haben, ihren Kindern die Tür zu öffnen.
    Du bedarfst meiner nicht mehr, Claudia. Du hast etwas, das viel besser ist. Du hast die warmen Mutterhände. Ulla hat nur mich – einen Schlüssel an einer Schnur.“ Claudia stand leise auf. Sie ging zu Onkel Bo hinüber.
    „Onkel“, sagte sie; sie sprach schwedisch, und niemals hatten die fremden Laute sich ihrem Munde so willig gefügt. „Onkel Bo, ich möchte dich um etwas bitten. Ich möchte gern mit Ulla allein sein. Würdest du so lieb sein und gehen?“
    Onkel Bo schaute sie an. Dann stand er auf.
    „Wie du willst, Claudia“, sagte er und ging zur Wohnungstür.
    Claudia geleitete ihn hinaus.
    „Hast du Geld für die Bahn?“
    „Jaja.“
    „Gut. Dann fahre ich nach Haus! Auf Wiedersehen so lange.“
    „Auf Wiedersehen, Onkel Bo. Ich komme bald nach. Du bist der großartigste Onkel der Welt. Vielen tausend Dank!“
    Die Wohnungstür schlug hinter Onkel Bo zu. Claudia ging wieder ins Zimmer zurück, ging zu dem Sessel, auf dem Ulla saß, und setzte sich auf die Armlehne. Es war gar nicht schwer, schwedisch zu sprechen, die Wörter, die sie brauchte, stellten sich ganz von selber ein.
    „Ulla, höre zu“, sagte sie. Ihre Stimme klang ganz sanft und gut. „Weine nicht mehr. Ich bin nicht böse. Alles wird wieder gut.“
    „Ach du – du verstehst ja nicht…“ schluchzte Ulla. Da reichte Claudia ihr das eigene, saubere Taschentuch, wie Onkel Peter es einmal in Wederholms Warenhaus getan hatte.
    „Doch, Ulla, ich verstehe. Du und deine Mutter, ihr lebt allein, nicht wahr?“
    „Ja -?“ Es war ein fragendes kleines „Ja“.
    „Deine Mutter ist sicher furchtbar müde, wenn sie abends nach Hause kommt?“
    „Ja“, flüsterte Ulla. „Meine Mutter ist Verkäuferin“, fügte sie hinzu. Claudia nickte.
    „Dann hat sie schlimme Füße, wenn sie nach Hause kommt, nicht wahr, und die tun sehr weh?“ fragte sie. „Und vorgestern sah sie in der Zeitschrift, daß du den
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