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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History
Autoren: Jonathan Green
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nervös.
    »Sehr wohl, Sir.«
    Nimrods Tonfall klang geradezu mühselig. »Wenn Sie nun die Güte hätten, mir zu folgen.«
    Der Butler führte den Anwalt durch einige Räume, in denen diverse mit staubigen Tüchern bedeckte Möbelstücke standen und finster dreinblickende Porträts von Urahnen hingen, durch eine modrig riechende ehemalige Bibliothek und geradewegs zu der einzigen mit Eichenholz vertäfelten Tür. Dort hielt er inne und klopfte behutsam.
    »Kommen Sie herein«, erklang eine aristokratisch anmutende Stimme dahinter. Der Butler öffnete die Tür und bedeutete dem Besucher vorzutreten.
    Screwtape fand sich in einem großräumigen Studierzimmer wieder. Die Wände waren mit Bücherregalen gesäumt, und dazwischen, wo man einen kleinen Blick auf die Paisley-Tapete erhaschen konnte, hingen Aquatinta-Radierungen; Tuschätzungen in Nussbaumrahmen sowie getönte Fotografien, eingefasst in Lichtspektren, auf denen exotische Orte aus allen Teilen des Globus zu sehen waren. Ebenso standen dort allerlei kuriose Artefakte; zweifellos Ansammlungen aus ebenjenen Reisezielen auf den Bildern. Dazwischen konnte Screwtape den Speer eines Massai-Kriegers und einen Schild aus Antilopenhaut erkennen, ebenso eine birmanische Dämonenmaske und – am verstörendsten von all den Seltsamkeiten – einen dunklen, fleckigen Menschenschädel, verziert mit seltsamen Feuersteinkieseln und dem Gefieder eines Paradiesvogels. Der Anwalt konnte sich nicht vorstellen, woher dieses überaus spezielle Objekt gekommen sein mochte, wollte er aber auch nicht wirklich.
    Einiges an Mobiliar war auch in dem Zimmer untergebracht worden. Ein beachtlicher Mahagonischreibtisch stand direkt vor ihm, dahinter ein mächtiger Ledersessel. Er zählte noch einen weiteren solchen Stuhl und eine Chaiselongue. In einer Ecke hatte sich jemand in der Gartenbaukunst geübt und eine Schusterpalme in einen tönernen Topf gesetzt, der nun auf einem umgedrehten Pflanzensockel aus Ebenholz thronte. Der gesamte Raum war in Mahagoni und weinrotem Samt gehalten. Hinter dem Schreibtisch verdeckten schwere Vorhänge die großen Fenster und über einem schwarzen eisernen Kaminsims hing das imposante Porträt eines grauhaarigen und schnauzbärtigen Mannes. In seinem Tweed Jackett, der senffarbenen Weste und den Jagdhosen sah er exakt wie ein englischer Landadeliger aus, der gerade eine nachmittägliche Quengelei genoss. Zudem trug er eine Büchse in der rechten Hand; nur dass die Szene hinter ihm die afrikanische Savanne zeigte und sein Fuß auf dem Kadaver eines wilden Löwen ruhte.
    Screwtape blickte von dem Heldenporträt auf den darunter stehenden jungen Mann. Die Ähnlichkeit in der Familie war bemerkenswert.
    Papierschnipsel aus der Times bedeckten die abgenutzte grüne Lederoberfläche des Schreibtisches. Einige der Artikel waren wohl von besonderem Interesse für den jungen Mann, denn er las sie wieder und wieder, während er den Inhalt eines Kristallglases in seiner rechten Hand umherwirbelte. Als der Anwalt durch die Gläser seines Kneifers auf die Schnipsel spähte, erkannte er in den größeren Abschnitten der Schlagzeilen, dass es sich stets um dieselbe Bewandtnis handelte. Eine Überschrift schrie: ›Millionär und Lebemann im Himalaya vermisst‹, eine andere: ›Abenteuer mit Heißluftballon endet in Tragödie‹. Der jüngste Report trug die Aufschrift ›Quicksilver vermisst, vermutlich tot‹. Das Datum dieses Reports lautete auf den 3. April 1996.
    Die mit Bronze verzierte Uhr auf dem Kaminsims schlug zehn. Sekunden später wurde deren Echo von einer schweren Standuhr andernorts im Haus zurückgeworfen. Es lag etwas Verstohlenes in diesem Treffen und im Zusammenspiel mit Nimrods nachhaltiger Präsenz fühlte sich Screwtape unbehaglich. Warum sich zu solch später Stunde treffen, um eine Abmachung zu besiegeln, wenn doch nichts Schändliches bei dieser Unternehmung im Spiel war? Die nachtschlafende Zeit war den kriminellen Bruderschaften vorbehalten, die dann ihren gesetzeswidrigen Geschäften frönten.
    Normalerweise hätten solche Dinge den Anwalt gar nicht beunruhigt. Jeden Tag musste er sich mit dem Gesetz auseinandersetzen, und das Gesetz mit ihm. Ein Auge zudrücken, sich mit konfusen und verwirrenden Klauseln Sittenwidrigkeiten entgegenstellen und geheime Paragraphen verschleiern. Die Firma von Mephisto, Fanshaw & Screwtape war bereits seit fünf Generationen bei der Quicksilver-Familie beschäftigt; seit der Zeit des Krimkrieges, um genau zu
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