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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History
Autoren: Jonathan Green
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aufmerksam. Stets derselbe Mann war auf jeder davon abgelichtet; tatsächlich der Einzige, der gleich mehrmals in den eingefangenen Szenen auftauchte. Geschichtliche Momente, auf ewig für die Nachwelt festgehalten. Einmal stand er inmitten einer halbnackten Sippe von Pygmäen des Äquators, ein anderes Mal schüttelte er die Hände eines Turban tragenden Maharadschas und auf einer weiteren Abbildung trug er die Garderobe eines amerikanischen Grenzansiedlers, Arm in Arm mit einem sündhaft aufgetakelten Exemplar von Frau am Pokertisch eines Schaufelraddampfers auf dem Mississippi. Es handelte sich hier nicht um denselben europäischen Jäger wie auf dem Porträt über der Feuerstelle – dieser Mann war jünger – doch es offenbarte mehr als nur eine simple Ähnlichkeit mit Screwtapes Klienten. »Sicherlich hatte er bereits die ganze Welt bereist, Ihr Bruder«, gestattete sich der Anwalt einen Kommentar.
    »Ja. Und sehen Sie, wohin es ihn gebracht hat!« 
    Quicksilver fuhr fort, die eng beschriebenen Vertragsseiten nach etwaigen Nebenklauseln und fachlich unverständlichem Kauderwelsch zu durchsuchen, welche klipp und klar festlegten, dass nach dem Tod von Ulysses Lucian Quicksilver auch wirklich alles an ihn übergehen würde. 
    »Diese Artefakte …« Der Anwalt nahm eines davon in die Hände. »Sie dürften doch sicher für Sammler einen gewissen Wert haben.«
    »Andenken, Schnickschnack, Nippes und nicht mehr. Ich werde sie dem Pitt-Rivers-Museum in Oxford vermachen. Und warum auch nicht? Immerhin ist das Haus die einzige Anlage, die mir mein Bruder hinterlassen hat.«
    »Und wie wollen Sie mit dem Verkauf des Anwesens verfahren?«
    »Ich ziehe in eine der Mondstädte um. Ich bin London leid und ich spüre, dass auch London meiner überdrüssig ist. Hier gibt es jetzt nichts mehr für mich.«
    »Wie ich hörte, soll das Tranquillity ganz nett sein«, bot Screwtape an. »Oder das Luna Prime. Es soll eine recht erquickliche Atmosphäre haben.«
    »Sehen Sie, Screwtape, ich denke wir haben genug an Nettigkeiten ausgetauscht. Also lassen Sie uns wieder mit dem vorliegenden Fall beschäftigen. Wollen wir?«
    Nur wenig später hatte Quicksilver die Begutachtung des Dokuments abgeschlossen. »Gut, ich unterschreibe also hier und hier«, er deutete mit dem Finger auf die Zeilen, »und die Tat ist vollbracht?«
    »Ja, Sir. Dann ist’s gewiss getan«, meinte der Anwalt resigniert.
    »Spricht etwas dagegen?«
    »Wissen Sie denn, was Sie tun, Mr. Quicksilver?«
    »Oh, Sie haben Ihre Rolle gut gespielt, Screwtape. Und in völligem Einvernehmen hinsichtlich der Konsequenzen. Sagen Sie nicht, Sie hätten nun ein schlechtes Gewissen. Das wäre nicht hilfreich für einen Mann ihres Faches.«
    »Ihr Bruder war sehr angesehen, ebenso wie der gute Name Ihrer Familie seit vielen Jahren schon. Ich würde es nur nicht begrüßen, wenn sich das ändern würde.«
    »Oh, ebenso wenig wie ich, Screwtape. Ebenso wenig wie ich. Sie sprechen darüber, als ob es sich nicht um den guten Namen meiner Familie handeln würde.«
    »D-das war nicht respektlos gemeint, Mr. Quicksilver, seien Sie versichert.«
    »Und ich versichere Ihnen, dass man des guten Namens meiner und meines Bruders Familie noch lange Jahre gedenken wird. Ich verspreche Ihnen, sobald wir das hier hinter uns haben, ist das Erste, was ich morgen in aller Frühe tun werde, einen Grabstein in Auftrag zu geben, damit er auf unserem Familiengrab auf dem Highgate-Friedhof aufgestellt werden kann. Und ich arrangiere einen Gedenkgottesdienst zu seinen Ehren in der St.-Paul’s- Cathedral.«
    »St.-Paul’s, hm … Überaus prächtig. Und womit verdiene ich diese Darstellung öffentlichen Gejammers?«, wollte eine Stimme wissen, süffig wie Rotwein und schneidend wie ein Rasiermesser zugleich.
    Quicksilver blickte von seinem Durcheinander aus Papierschnipseln und juristischen Dokumenten auf. Jegliche Farbe wich ihm aus dem Gesicht, als er – von blankem Entsetzen geradezu überwältigt – die Gestalt auf der Türschwelle anstarrte. Screwtape wandte sich mit offenem Mund dem Neuankömmling zu. Das Bersten von Glas auf den polierten Eichenholzdielen zerriss die Stille, als des Advokaten Cognac ihm aus den schweißnassen Fingern rutschte.
    »U-Ulysses?« Der junge Mann stützte sich schwer mit einer Hand auf den Schreibtisch. Er sah aus, als würde er sogleich einer schweren Krankheit erliegen. »Ulysses … gottseidank, du bist wohlauf! M-meine Gebete wurden erhört.«
    »Mir war gar
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