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Unnatural History

Unnatural History

Titel: Unnatural History
Autoren: Jonathan Green
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siebte wurde ebenfalls bereits in Auftrag gegeben und ich hätte auch noch Ideen für einige mehr – denn Totgesagte leben ja bekanntlich länger.
    Nun denn, erhebt eure Brandygläser und begleitet mich und Ulysses Quicksilver, den Held des Empires, nach Magna Britannia.
     
    Lang lebe die Queen!
     
    Jonathan Green
    London, MMX
     

Prolog
    Die Rückkehr
     
    Das Schellen der Türglocke gellte penetrant durch die Eingangshalle. Sein Echo drang durch mit abgedeckten Möbelstücken vollgestellte Räume, hallte von Säulen aus Marmor und Alabaster wider und prallte gegen altertümliche Familienerbstücke und antike Vasen. Dennoch störte es keineswegs den Schlaf der Ahnen, welche, auf ewig festgehalten in Porträts, die dunklen, mit Papiertapeten verkleideten Wände zierten. Irgendwann verlor sich dieses unschöne Geräusch in dem gefliesten Durchgang zwischen Küche und Bediensteten-Trakt; nicht mehr wirklich ein Echo, nur mehr eine Erinnerung daran. Frieden kehrte in das Londoner Stadthaus zurück und das einzige Geräusch in diesem ansonsten totenstillen Haus war das regelmäßige mechanische Ticken der Standuhr in einer Nische im Treppenhaus. Sie war unverhangen, die Devise ›Tempus Fugit‹ deutlich sichtbar in die glatte Oberfläche graviert. Das vornehme Ticken zeigte die Zeit in einem Haus an, in dem Zeit schon lange keine Bedeutung mehr hatte.
    Ein Knarzen gesellte sich zu dem stetigen Ticken der Uhr; das Knarzen von Ledersohlen auf glänzend weißen Bodenfliesen. Der Hüter des Hauses lief entschlossen und dennoch gemächlich auf die Vordertür zu. Er durchschritt den Korridor, den Rücken gerade, mit erhobenem Kopf, die adlerhaften Züge seines Gesichts teilnahmslos und ernst, die stechend saphirblauen Augen starr geradeaus gerichtet.
    Die Porträts folgten ihm ungerührt mit ihren apathischen Leinwandaugen, als er an ihnen vorüberschritt. Elektrisches Licht tauchte alles in eine gelbe Lumineszenz. 
    Er passierte einen gewaltigen goldgerahmten Spiegel, der die gesamte Wand einnahm, ohne sein Spiegelbild auch nur eines Blickes zu würdigen, geschweige denn den gestärkten Kragen seines Hemdes und den Knoten seiner Krawatte zu überprüfen oder ob sein graues Haar ordentlich gescheitelt war.
    Die Türglocke schellte noch einmal, just als er seine Hand auf den Türknauf legte und die Haustür öffnete. Ein kurzgeratener, stämmiger Mann trat draußen ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und zuckte sogleich zurück, aufgeschreckt vom plötzlichen Erscheinen des Hausdieners.
    Der Mann sah an dem Butler empor und direkt in die kalten Augen, die ihn unter dichten Brauen drohend anblickten. Unangenehm berührt entzog er sich dem Augenkontakt, indem er die einschüchternde Erscheinung des Hausdieners von Kopf bis Fuß betrachtete.
    Der Butler war ein Mann ohne wirkliches Alter, obgleich er wohl keinesfalls jünger als fünfundvierzig sein konnte, ebenso gut aber auch bereits die sechzig erreicht haben mochte. Seine distanzierte Ausdrucksweise verriet Geringschätzung, die kantigen Gesichtszüge verliehen ihm etwas Aristokratisches; allerdings war seine Nase mit Sicherheit bereits an mehr als einer Stelle gebrochen gewesen. Sie ließ ihn wie einen in die Jahre gekommenen Preisboxer mit dem Benehmen eines überaus loyalen Gefolgsmanns erscheinen.
    »Ah, Nimrod.«
    »Mr. Screwtape, Sir«, entgegnete der Hausdiener. Sein Akzent klang ebenso geschliffen und kultiviert, wie sein Kragen frisch gestärkt und makellos war. »Sie werden schon erwartet. Bitte treten Sie ein.«
    Rein gar nichts in Nimrods Tonfall und seiner teilnahmslosen Ausdrucksweise deutete an, dass der Anwalt willkommen war. Tatsächlich fühlte sich Screwtape in der Rolle als Besucher eher wie ein unerwünschter Eindringling.
    »Mr. Quicksilver erwartet Sie in seinem Studierzimmer.«
    Der Butler machte einen Schritt zur Seite und schloss die Tür vor der Kälte und der Nacht. Screwtape nahm seine Melone mit einer Hand ab – einen Aktenkoffer hielt er fest in der anderen – und enthüllte dabei seinen schwachen Versuch, mittels einiger dünner, offensichtlich schwarzgefärbter Strähnen eine beginnende Glatze zu verdecken. Kleine Schweinsäuglein inmitten wabbeliger Gesichtszüge spähten hinter den dicken Gläsern seines Kneifers hervor, der sich beinahe in seinen kurzen, buschigen Schnauzbart schmiegte.
    »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Sir?«
    »N-nein, das ist nicht nötig. Ich werde ihn selbst nehmen.« Nimrod machte ihn immer äußerst
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