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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch
Autoren: Brian Freeman
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zweistöckiges Gebäude aus den Zwanzigerjahren, eine solide Konstruktion aus Backstein und Kiefernholz, die vor den harten Wintern Minnesotas schützte. Von der Straße führte ein verschlungener Weg bis zu der riesigen Eingangstür. An der Ostseite des Hauses, direkt an einem baumbestandenen Abhang, befand sich eine freistehende Garage mit zwei Stellplätzen, deren Zufahrt man über eine Seitenstraße erreichte. Stride sah einen knallroten VW Beetle in der Auffahrt stehen, wo er den Eingang zu einem der Garagenstellplätze halb versperrte.
    Rachels Auto. Der Blutkäfer.
    »Herzlich willkommen, Boss.«
    Stride musterte Maggie Bei, die jetzt neben ihm auf dem Rasen stand. Das pechschwarze Haar lag wie ein Helm um ihren Kopf, und der Pony reichte ihr bis zu den Augenbrauen. Sie war zierlich wie ein chinesisches Püppchen und hatte ein hübsches, ausdrucksvolles Gesicht mit strahlenden, mandelförmigen Augen und einem sanft goldenen Hautton. Sie trug eine bordeauxrote Lederjacke, ein weißes T-Shirt von GAP und eine schwarze Jeans aus der Teenagerabteilung. Maggie war immer modisch und hip gekleidet. Stride selbst gab nur wenig Geld für Kleidung aus. Er ließ seine Cowboystiefel immer wieder neu besohlen und trug sie schon, seit er die Uniform abgegeben hatte und zur Kriminalpolizei gegangen war – und das war lange her. Außerdem besaß er immer noch dieselbe ausgefranste Jeans, die ihn jetzt schon durch neun Winter begleitet hatte, obwohl inzwischen laufend Münzen durch ein Loch in der Tasche fielen. Auch seine Lederjacke hatte schon viel durchgemacht. Im Ärmel sah man noch das Einschussloch, auf Höhe der Narbe an seinem muskulösen Oberarm.
    Stride ließ den Blick zu den vorderen Fenstern des Hauses wandern und sah drinnen einen Mann, der mit einem Glas in der Hand in ein hinteres Zimmer ging. Das Licht des Kronleuchters brach sich im Kristall des Glases und ließ es aufleuchten, als wollte jemand eine geheime Botschaft mit einem Spiegel senden.
    »Was haben wir, Mags?«, fragte er.
    »Nichts, was du nicht schon wüsstest«, erwiderte sie. »Rachel Deese, siebzehn Jahre, ging in die Oberstufe der Duluth High School. Dieser junge Sportler, Kevin, hat erzählt, er hat sie am Freitagabend gegen zehn vom Canal Park wegfahren sehen. Was die Zeit danach betrifft, wissen wir nichts mehr. Ihr Auto steht in der Auffahrt, aber bisher haben wir niemanden aufgetrieben, der gesehen hätte, dass sie am Freitag nach Hause gekommen oder zu Fuß oder in Begleitung wieder weggegangen ist. Das ist jetzt immerhin zwei Tage her.«
    Stride nickte. Einen Augenblick lang betrachtete er Rachels Beetle. Der Wagen war umringt von Polizisten, die ihn sorgfältig durchsuchten. Er war knallrot, hübsch und schick – welches junge Mädchen würde so ein Auto freiwillig stehen lassen?
    »Lass die Bankautomaten auf dem Weg vom Canal Park hierher überprüfen«, sagte er. »Vielleicht haben wir ja Glück mit den Aufzeichnungen der Überwachungskameras von Freitagabend. Und wir müssen herausfinden, ob sie wirklich nach Hause gefahren ist, wie Kevin gesagt hat.«
    »Alles längst in Arbeit«, erwiderte Maggie und zog dabei die Augenbrauen hoch, als wollte sie sagen: Hältst du mich für blöd?
    Stride lächelte. Maggie war die begabteste junge Polizistin, mit der er je zusammengearbeitet hatte. »Graeme ist ihr Stiefvater, stimmt’s? Was ist mit dem leiblichen Vater? Soviel ich weiß, heißt er Tommy.«
    »Netter Versuch. Daran hab ich auch schon gedacht. Er lebt nicht mehr.«
    »Wird sonst noch jemand vermisst? Irgendein Freund vielleicht?«
    »Keine weiteren Meldungen. Wenn sie tatsächlich ausgerissen ist, dann entweder allein oder mit jemandem von außerhalb.«
    »Ausreißer brauchen Transportmittel«, bemerkte Stride.
    »Wir überprüfen bereits den Flughafen und die Busbahnhöfe hier und in Superior.«
    »Haben die Nachbarn was gesehen?«
    Maggie schüttelte den Kopf. »Nichts Wichtiges bisher. Aber wir sind noch nicht durch mit der Befragung.«
    »Gab es irgendwelche Probleme mit dem Mädchen?«, fragte Stride. »Belästigung, Vergewaltigung, irgendwas in der Richtung?«
    »Guppo hat die Datenbank überprüft«, erwiderte Maggie. »Rachel taucht nirgends auf. Wenn man allerdings ein paar Jahre zurückgeht, stellt man fest, dass Emily und ihr erster Mann, Rachels Vater, aktenkundig sind.«
    »Weswegen?«
    »Der Vater war mehrfach auffällig wegen Trunkenheit und ordnungswidrigem Verhalten. Einmal auch wegen familiärer Gewalt, aber es
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