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Unmoralisch

Unmoralisch

Titel: Unmoralisch
Autoren: Brian Freeman
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wurde keine Anzeige erstattet. Und er hat seine Frau geschlagen, nicht seine Tochter.«
    Stride runzelte die Stirn. »Wissen wir, ob Rachel und Kerry sich kannten?«
    »Von Rachel war letztes Jahr nie die Rede«, sagte Maggie. »Aber wir hören uns um.«
    Stride nickte zerstreut. Er versuchte wieder, sich in Rachel hineinzuversetzen, ihren letzten Abend zu rekonstruieren und herauszufinden, was im Verlauf dieser Stunden geschehen oder nicht geschehen war. Er ging davon aus, dass sie am Freitag tatsächlich nach Hause gekommen war. Sie war mit dem Auto unterwegs gewesen, und jetzt stand es hier, vor dem Haus. Aber was war dann passiert? War sie ins Haus gegangen? Hatte jemand auf sie gewartet? War sie noch einmal weggegangen? Es hatte geregnet, und es war kalt – sie hätte doch sicher den Wagen genommen. Es sei denn, jemand hatte sie abgeholt.
    »Wir sollten jetzt mit den Stoners reden«, sagte Stride. Dann hielt er inne. Er war daran gewöhnt, sich auf Maggies Instinkt zu verlassen. »Was sagt dir dein Bauch, Mags? Ist sie ausgerissen, oder ist es was Schlimmeres?«
    Maggie zögerte keine Sekunde. »Ihr Auto steht vor dem Haus. Für mich hört sich das nach was Schlimmerem an. Es erinnert mich an Kerry.«
    Stride seufzte. »Geht mir genauso.«

3
    Stride klingelte an der Tür. Er sah einen Schatten hinter der Milchglasscheibe und hörte Schritte näher kommen. Dann wurde die geschnitzte Eichentür geöffnet, und ein Mann – etwa so groß wie Stride, elegant gekleidet mit Kaschmirpullover mit V-Ausschnitt, weißem Hemd und hellbrauner Bügelfaltenhose – streckte ihm die Hand entgegen. In der anderen Hand schwenkte er seinen Drink, sodass die Eiswürfel darin klirrten.
    »Lieutenant Stride, nehme ich an?«, sagte er zur Begrüßung. Sein Händedruck war fest, und er hatte das freundliche Lächeln eines Menschen, der häufig auf Cocktailpartys und in eleganten Klubs verkehrte. »Kyle hat gesagt, dass Sie bald vorbeikommen werden. Ich bin Graeme Stoner.«
    Stride nickte. Er verstand die Botschaft nur zu gut. »Kyle«, das war Kyle Kinnick, der stellvertretende Polizeichef von Duluth, Strides Vorgesetzter. Graeme wollte ihm von Anfang an klar machen, wie viel Einfluss er bei der Stadtverwaltung besaß.
    Er sah die Falten auf Graemes Stirn und um die Mundwinkel und schätzte, dass er etwa so alt war wie er selbst. Graemes dunkelbraunes Haar war kurz geschnitten – die Frisur eines Managers. Er trug eine silberne Brille mit schmalem, rundem Rand. Sein Gesicht wirkte breit und weich, hatte weder vorstehende Wangenknochen noch ein markantes Kinn. Selbst so spät am Abend sah man kaum einen Bartschatten auf seinen Wangen, und Stride fuhr sich unwillkürlich mit der Hand über seine eigenen kratzigen Stoppeln.
    Graeme legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ich darf Sie auf die hintere Veranda führen«, sagte er.
    »Im Wohnzimmer fühlen wir uns doch ein wenig zu sehr auf dem Präsentierteller, bei den vielen Leuten da draußen.«
    Stride folgte Graeme ins Wohnzimmer, das mit zierlichen Sofas und antiken Möbeln aus glänzend lackiertem Walnussholz eingerichtet war. Graeme deutete auf eine chinesische Vitrine mit verspiegelter Rückwand, die voller Kristallgefäße stand. »Darf ich Ihnen einen Drink anbieten? Es kann auch etwas Alkoholfreies sein.«
    »Nein, vielen Dank.«
    Graeme blieb mitten im Raum stehen und schaute ein wenig unbehaglich drein. »Ich muss mich entschuldigen, Lieutenant, dass ich mich nicht schon früher an Sie gewandt habe. Als Kevin am Samstagabend hier war, hat es mir noch keine großen Sorgen bereitet, dass Rachel nicht nach Hause gekommen ist. Wissen Sie, Kevin neigt manchmal zu extremen Reaktionen, wenn es um Rachel geht, und ich dachte, er übertreibt.«
    »Aber jetzt sind Sie anderer Ansicht?«, fragte Stride.
    »Jetzt sind es immerhin schon zwei Tage. Und meine Frau hat mich zu Recht an das andere junge Mädchen erinnert, das vermisst wird.«
    Graeme führte ihn durch das Esszimmer und dann durch eine Glastür in ein großes, gemütliches Zimmer, das von einem offenen Kamin aus grauem Marmor an der rechten Wand beheizt wurde. Der weiße Teppich war flauschig und makellos. Die hintere Wand bestand ganz aus hohen Fenstern, zwischen denen zwei Türen mit Buntglasscheiben in den dunklen Garten hinausführten. Mehrere Messinglaternen an den Seitenwänden tauchten den Raum in ein sanftes Licht.
    Rechts von der Fensterwand standen zu beiden Seiten des Kamins zwei riesige, identische Lehnsessel. In
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