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Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Unheimliche Begegnungen (German Edition)

Titel: Unheimliche Begegnungen (German Edition)
Autoren: Werner Vehler
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Gefangennahme gäbe es für ihn kein Entkommen mehr. Vorgewarnt durch seine gelungene Flucht, würden die Wachen ihn noch sicherer wegschließen und ihn nicht mehr aus dem Auge lassen.
    Dicht an die Wand eines Hauses sich schmiegend, schlich er um es herum. Auch an der Vorderfront entdeckte er keinen Beobachter.
    Da hörte er die Glocke des Doms schlagen. Er zählte mit. Sie erklang zwölf Mal.
    „Geisterstunde“, flüsterte er mit sich. „Geisterstunde!?“, fragte er sich, lauter als er eigentlich wollte. Er schaute deshalb ängstlich in die Umgebung, doch er blieb allein. Also, so sagte er sich, mussten die Ereignisse um die Bibliothek vor Mitternacht stattgefunden haben.
    Er wollte die Gunst der leeren Gassen zur Geisterstunde nutzen, um zur Stadtmauer zu gelangen.
    Es war kein weiter Weg von seinem Haus aus. Ein paar Schlenker rechts, ein paar Schlenker links und er war da.
    Er kauerte hinter einer kleinen Hofmauer eines Anwesens, das in der Nähe der hohen Stadtmauer stand. Auf einmal spürte er etwas Scharfes an seiner Kehle und vernahm leise folgende Worte an seinem Ohr: „Kein Laut, sonst war es dein Letzter.“
    „Schon gut. Ich bin ganz still“, sagte Vinc lauter als er wollte und wurde mit einem „Pst!“ zum Schweigen aufgefordert. Doch dann vernahm er weiteres Flüstern des Unbekannten: „Deine Stimme kenne ich doch.“
    Er trat vor Vinc und sagte: „Du bist doch der Junge, der damals das Mädchen gerettet hatte.“
    „Andos, der Führer der Geächteten?“, fragte Vinc erstaunt. „Was führt dich hierher? Wieso setzt du dich dieser Gefahr aus?“
    „Ich bin hier die Lage zu erkunden.“
    „Die Lage?“, fragte Vinc etwas irritiert.
    „Ja. Wir wollen den Tyrannen stürzen, aber dazu müssen wir in die Stadt“, antwortete der Anführer.
    „Warum du und nicht einer deiner Männer?“, wollte Vinc wissen.
    „Wir trauen niemandem mehr. Die Belohnung auf unsere Köpfe ist inzwischen zu hoch. Das verleitet einige zum Verrat. Zwei mussten wir bereits deswegen bestrafen.“ Diese Sätze kamen eher bedauernd, als genugtuend aus Adons Mund.
    Vinc wunderte sich, dass der Anführer so frei mit ihm sprach.
    „Du wirst doch auch gesucht. Wie schaffst du es, in die Stadt hinein und hinauszukommen, ohne von den Torwachen erkannt zu werden? Schließlich hängt ein gut gemaltes Bild deines Angesichts überall“, wollte Vinc wissen.
    „Komm mit!“, befahl Andos.
    Er ging mit Vinc zur Stadtmauer und wies auf eine bestimmte Stelle.
    Vinc trat näher an das Gemäuer, aber er wusste nicht, was Adons im Deuten wollte.
    „Schau noch genauer hin.“ Als er das sagte, ging ein Lächeln über sein Gesicht.
    „Ich sehe nichts“, gab Vinc zu.
    „Das ist gut so. Wenn dein geschultes Auge es nicht erkennen kann, dann tun es die dummen Wachen erst recht nicht.“
    Der Hauptmann drückte gegen das Gestein und es entstand eine Öffnung. Da hörte Vinc den Schrei eines Vogels. Einen, den er nachts noch nie auf Arganon gehört hatte. Doch er maß dem keine weitere Bedeutung zu, sondern ihn interessierte etwas anderes.
    „Wie habt ihr denn das gemacht?“, fragte er erstaunt.
    „Ganz einfach. Das ist kein Gestein, sondern Holz. In unseren Reihen befindet sich ein Künstler, der es fertigbrachte, mit einer geheimen Mischung einer Farbe, die der Witterung trotzt, dieses Holz so zu bemalen, dass es der echten Mauer täuschend ähnlich sieht. Allerdings werden wir nicht lange dieses Schlupfloch benutzen können. Irgendwann wird es kaputt gehen oder entdeckt werden“, gab Adons zu bedenken.
    „Wie konntet ihr so etwas tun, ohne entdeckt zu werden?“
    „Stets zur Geisterstunde. Wir fürchten weder Tod noch Teufel“, antwortete Adons.
    Vinc erschrak bei seinen Worten. Als er den Satz hörte, kam sein gewohntes Misstrauen wieder zurück. Er sah sich Adons näher an, aber es schien der Anführer der Geächteten zu sein. Was Vinc störte, war das Wort Teufel. Dieser irdische Begriff des Satans war auf Arganon, wie bereits schon einmal erwähnt, nicht bekannt.
    Adons zeigte Vinc eine kleine Einkerbung unterhalb des Holzblocks. Er nahm von seinem Gürtel einen kleinen Haken und setzte ihn in die Kerbe. Als er daran zog, fügte sich der Block nahtlos in das Mauerwerk ein.
    „Die einzige Gefahr besteht, dass, wenn ich den Block nach außen schiebe, jemand stehen könnte und es bemerken würde. Aber wir gehen immer zu zweit hierher.“ Andos machte genau die Vogellaute, die Vinc kurz zuvor etwas verwirrt hatten. Kurz
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