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Unheil ueber Oxford

Unheil ueber Oxford

Titel: Unheil ueber Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
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Versenkung geholt, genauestens begutachtet, gezählt und gewogen. Was macht man mit einer solchen Frau?
    » Seitdem du hier bist , habe ich versucht , dir verständlich zu machen , dass man genau so zum Opfer wird .«
    » Genau wie? «
    » Indem sich über die Jahre hinweg Groll aufbaut Dianne , Mark , Viola , Faith , Briony und fast die gesamte Belegschaft des Bartlemas Colleges . Irgendwann musste das Fass einfach überlaufen . Du hättest es wissen müssen .«
    » Na , vielen Dank . Ich muss schon sagen , Sie sind wirklich mitfühlend . Und so verständnisvoll!«
    » Nun , du hast mich gefragt . Aber jetzt berichte weiter !«
    Ich kann nicht. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Vielleicht bekomme ich noch ein paar Dinge von jenem Tag zusammen, dem letzten Tag. Um die Mittagszeit ging ich Faith besuchen. Weil sie eine erbärmliche Köchin ist, kochte ich eine Kleinigkeit. Etwas, das schnell ging, um möglichst viel Zeit für unseren Spaß zu haben. Aber ich nehme an, davon wollen Sie nichts hören.
    Nachdem wir fertig waren, erklärte sie mir, sie wolle mich niemals mehr wiedersehen. Oder etwas in der Art. Zwar versuchte ich, einzulenken, doch sie blieb hart. Aber Sie kennen ja die Frauen – in ein, zwei Tagen wäre sie wieder angekrochen gekommen. Es war nicht vorbei, und wir wussten es beide. Sie spielte ein Spielchen, damit mein Interesse nicht erlahmte. Nun, jedenfalls winkte ich ihr zum Abschied und ging zurück ins Bartlemas.
    Von diesem Zeitpunkt an werden meine Erinnerungen bruchstückhaft. Die High Street wimmelte von Touristen. Ich entsinne mich einer Gruppe ausländischer Schüler und einiger mit Kameras behängter Japaner. Und dann sah ich an der Ampel, wo der Bürgersteig sehr eng ist, eine Frau. Sie trug ein strahlend blaues Kleid und glänzende Ohrringe, und ihr Haar schimmerte golden und silbern. Jemand trat ihr auf den Fuß, und ich tat, als wäre ich es gewesen, um mit ihr ins Gespräch zu kommen.
    Ich weiß noch, dass Brian Renfrew vorüberkam. Auch Timothy Happle habe ich gesehen, doch ich beachtete beide nicht. Ich suchte nach irgendeinem Vorwand, um die Frau wiedersehen zu können. Ich hätte Faith schließlich beim Wort nehmen können, nicht wahr? Sie hätte es sich selbst zuzuschreiben gehabt. Wenn ich bei der Frau im blauen Kleid hätte landen können, wäre ich vielleicht noch da unten, statt hier vor dem Tor zu sitzen und mit einem von Gottes Cherubim zu sprechen.
    Danach wird alles nebelhaft. Ich sah noch ein paar andere Bekannte die Bartlemas Row hinaufgehen. Aber ich weiß nicht mehr, wer es war und auch nicht, ob es eine Rolle spielte. Und dann kam jemand, der mir zuzischte, ich solle ihm folgen. Jemand in Stiefeln. Er ging voraus in Richtung College. Ich erinnere mich an Ärger. Das war’s, dachte ich. Ich sollte wohl besser mitgehen.
    Und dann der Turm. Ich stand mit dem Rücken zur Brüstung. Ich argumentierte. Als ich schon dachte, ich hätte gewonnen, wurde ich mit einem Mal heftig angegriffen und taumelte rückwärts gegen die Mauer. Wahrscheinlich lag es an meiner Überraschung, dass ich stürzte. Ich hatte es einfach nicht erwartet.
    » An mehr kannst du dich nicht erinnern? «
    » Im Moment jedenfalls nicht .«

    Die Hitze dieses Septembers ist unnatürlich und belastend. Sie hängt über der Stadt und drückt auf Gebäude und Menschen, bis sich jeder nur noch nach dem Lufthauch sehnt, der sie davontreibt. Die heißen Monate mit wenig Regen haben zu einer verfrühten Ernte geführt, sodass es im August bereits wie September aussah. Blumen haben geblüht und Samen produziert, als hätten sie es eilig, sich zu verschwenden. Schon im August welkten die Blätter an den Bäumen; jetzt im September werden sie, Wochen vor der üblichen Zeit, bunt und golden.
    Und immer noch regnet es nicht. Die Luft ist schwül. Es sieht nach Gewitter aus, doch nichts geschieht. Es scheint, als seien die Uhren Ende August zum Zeitpunkt von Chris Townsends Tod stehen geblieben und könnten sich nicht weiter bewegen, ehe sein Tod nicht gesühnt ist. Die Jahreszeit wartet auf eine Lösung. Erst wenn der Mörder gefunden ist, wird das Gewitter losbrechen und der Regen heranrauschen. Dann erst wird sich das Jahr dem Winter zuneigen können.
    Kate spürt, dass der Zeitpunkt der Lösung sich dennoch nähert. Die ersten warmen Regentropfen fallen vom Himmel. Es ist nicht das Gewitter, auf das alle hoffen, nur ein Vorbote anrückender Bataillone. Runde Tropfen schlagen auf das Pflaster, zerplatzen zu
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