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Unheil

Unheil

Titel: Unheil
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dingen vollgestopft war, dass sie der Anblick fast überforderte. Es war dunkel, wenn
auch nicht vollständig, und Musik und Filmgeräusche vermischten sich zu einem
Durcheinander, das schon wieder ein heftiges Schwindelgefühl hinter ihrer Stirn
auslöste. Ihr Herz klopfte.
    Während sie dastand und darauf wartete, dass all die verschiedenen
Geräusche und Eindrücke endlich einen Sinn ergaben, versuchte sich ihre
Vernunft ein letztes Mal zu Wort zu melden. Sie hatte mehr getan, als nur eine
Tür zu öffnen. Spätestens jetzt war sie nicht mehr nur auf dem besten Weg, sich
lächerlich zu machen, sondern ihren Job aufs Spiel zu setzen. Wenn die Sache
hier schiefging, dann war das genau die Art von Zwischenfall, auf die ihr
Vorgesetzter Eichholz seit zwei Jahren wartete.
    Irgendetwas polterte. In dem akustischen Chaos, das sie umgab, war
es schwer, die genaue Richtung zu bestimmen, aus der ein Geräusch kam, aber sie
war ziemlich sicher, dass es nicht aus dem Film stammte und zu laut gewesen
war, um aus der Diskothek heraufzuwehen.
    Als sie die Augen öffnete, ordnete sich das Chaos ringsum wenigstens
weit genug, ihr eine ungefähre Ahnung von ihrer Umgebung zu vermitteln. Sie
befand sich in einem weitläufigen, nur schummerig beleuchteten Raum, der sich
über einen Großteil der gesamten Anlage zu erstrecken schien. Alles, was weiter
als ein paar Meter entfernt war, verschmolz zu einem Konglomerat düsterer
Schatten und ineinanderfließender Umrisse, die etwas sonderbar Bedrohliches zu
haben schienen. Und um die Sache etwas interessanter zu gestalten, war
zumindest dieser Teil des Raums anscheinend schon vor Jahren zur Rumpelkammer
deklariert worden, in die man wahllos alles hineingestellt und -geworfen hatte,
was man im Moment nicht brauchte. Überall standen Kisten, Kartons,
Papierbündel, Rollen mit alten Plakaten und Säcke und aller möglicher anderer … Kram , der eine regelrechte Barrikade ringsum bildete, durch
die ein Durchkommen auf den ersten Blick fast unmöglich schien.
    Aber irgendjemand war hindurchgegangen. Da
war etwas an einem bestimmten Teil dieser Unordnung, das sie nicht wirklich
greifen konnte, das ihr aber sehr deutlich sagte, dass es neu war. Jemand hatte
etwas verändert, erst vor ganz kurzer Zeit.
    Vielleicht ein Angestellter des Trash , der gerade hier gewesen war, um die Sperrmüllsammlung um einige
weitere Stücke zu bereichern, flüsterte ihr die schwächer werdende
Stimme ihrer Vernunft zu. Möglicherweise derselbe, der gleich wieder auftauchen
würde, um sie dreikantig rauszuschmeißen.
    Was sie nicht daran hinderte, sich behutsam in dieselbe Richtung in
Bewegung zu setzen.
    Das Poltern wiederholte sich, leiser, zugleich aber auch deutlicher,
sodass sie ausmachen konnte, woher es kam: direkt von vorne, genau aus der
Richtung, in die ihr Gefühl sie lenkte.
    Flackerndes Licht drang durch die Ritzen zwischen den Bodendielen,
und jetzt wurde die Musik auch wieder lauter; vor allem die hämmernden Bässe,
die die Luft rings um sie herum zum Vibrieren zu bringen schienen und es fast
unmöglich machten, einen bestimmten Laut aus der allgemeinen Geräuschkulisse
herauszufiltern. Zu allem Überfluss musste sie sich mittlerweile wohl genau
über dem Kinosaal befinden, in dem sich der Film gerade seinem Showdown
näherte: Schreie und trappelnde Schritte drangen durch die Bodenbretter,
dröhnendes Hufgeklapper und das Klirren von Schwertern, und noch mehr Gebrüll
und Schreie. Verdammt, konnten sie sich dort unten nicht Bambi ansehen oder Das
Dschungelbuch?
    Wieder ein Poltern, dann ein Scharren und Klappern, das irgendwie zu … modern
klang, um Teil des Historienschinkens unter ihr zu sein. Die anhaltende
Lärmberieselung machte es unmöglich, seine genaue Richtung zu bestimmen, aber
ihre Augen hatten sich inzwischen an das flackernde Dämmerlicht gewöhnt. Sie
folgte tatsächlich einer Spur in der flockigen Staubschicht auf dem Boden,
schwach, trotzdem zu erkennen, wenn man wusste, wonach man zu suchen hatte.
Jemand war hier langgegangen, erst vor wenigen Augenblicken.
    Vor ihr war eine weitere, kurze Metalltreppe, die zu einem höher
gelegenen Teil des Zwischenbodens führte. Staub tanzte im Rhythmus der
hämmernden Bässe in dem flackernden Licht, das durch die Ritzen der schlampig
verlegten Dielen drang, und sie nahm vage, sonderbar geometrische Umrisse wahr,
die sich beim
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