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Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze

Titel: Ungleiche Paare - Die Leidenschaft der Gegensaetze
Autoren: Dietmar Bittrich
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und drückte ihm die Scheine in die Hand. »Und nun sehen Sie zu, dass Sie Ihren Zug kriegen.«
    Sie legte dem Bedripsten freundlich die Hand auf den Rücken und schob ihn hinaus.
     
    Immerhin, Jakob behielt den Job. Die Schlafzimmertür wurde nie mehr geöffnet. Das Geld für die Nachhilfestunden befand sich wieder dort, wo es schon vorher immer gewesen war, in der Küchenschublade. Obendrein schien es ihm, als trage die Mutter seines Lateinzöglings doch Büstenhalter. Aber genau hinsehen mochte er nicht.
    »Wenn ich will, kann ich da jederzeit«, redete er uns ein. Ja, ja, dachten wir. Schwachkopf.
    Für Alexander ging die Sache anders aus. Es war im folgenden Frühling, dessen April ungewöhnlich warm war. Die Mutter seines Klavierschülers hatte erstaunt reagiert, als Alexander an einem gewöhnlichen Mittwoch zur üblichen Zeit auftauchte. Tatsächlich war es ein Versehen. Alexander hatte vergessen, dass sein Schüler an diesem Nachmittag für die Orchesterproben einer Schulaufführung eingeteilt war.
    Doch nun war er da, Alexander, leicht verschwitzt. Eine halbe Stunde war er mit dem Rad gefahren. Die Mutter seines Schülers – eine schlanke, etwas nervöse Frau, die sich mit der Symbolik von Träumen beschäftigte – lud ihn zu einem leichten Caipirinha ein.
    »Wenn es mein Irrtum ist, bezahle ich die Stunde.«
    Doch es war nicht ihr Irrtum. Wie sich herausstellte, glaubte sie auch nicht an Irrtümer, von Zufällen ganz zu schweigen. Hingegen glaubte sie an unbewusste Wünsche, deren Macht groß genug war, einen dunkellockigen Musikstudenten an einem stillen blauen Nachmittag zu ihr zu treiben.
    »Nimmst du eigentlich Tanzunterricht?«, fragte sie. Alexander war zur Tanzstunde gegangen wie wir alle. Jakob und ich hatten es hinter uns. Alexander hatte sich als Einziger zu einem Aufbaukurs überreden lassen. Und dann war er noch zu den Fortgeschrittenen gegangen. Sie hatte einen guten Blick.
    »Du musst ein guter Tänzer sein«, sagte sie. »Du hast die Figur dafür.«
    Jedenfalls erzählte er es uns später so.
    »Was für Musik hörst du?«, wollte sie wissen. Die Namen seiner Bands gefielen ihr nicht. Wahrscheinlich kannte sie sie nicht einmal. »Du bist doch musikalisch«, ermunterte sie ihn. »Dir müsste auch anspruchsvollere Musik liegen.« Darunter verstand sie ihre Lieblingslieder. Die legte sie nun auf. »Wie gefällt dir das?«
    Alexander fand recht verstaubt, was da aus teuren Boxen erklang. Es war die Musik seiner Eltern. Offen aussprechen mochte er das nicht. Lieber nickte er anerkennend und erfand eine diplomatische Wendung: »Ja, das ist komplex, also von der Melodie her, und auch rhythmisch anspruchsvoll.«
    »Eben, das meine ich, und jetzt zeige ich dir mal, wie man dazu tanzt«, sagte sie beschwingt, erhob sich und ergriff seine Hand. »Komm!«
    Alexander pochte das Herz, aber nicht, weil ein Wunsch in Erfüllung ging, sondern weil er weglaufen wollte, aber nicht durfte. Er fühlte sich als eine Art Angestellter bei der Mutter seines Klavierschülers. Also tanzte er. Mitten am Nachmittag. Zuerst mehr für sich, gehemmt und hölzern und eher in Richtung Zimmerecke und Yuccapalme. Sie tanzte gleichfalls für sich. Doch sie beobachte ihn und sagte: »Du tanzt tatsächlich gut.« Das konnte er nicht verbergen. Er war der Geschmeidigste von uns. Sogar die Tricks der Schwarzen waren ihm zugeflogen.
    Wie es Brauch ist bei der Abfolge von Stücken auf einer Scheibe: Der erste Track ist Uptempo zum lockeren Einstieg, danach folgt eine Ballade. Die kam jetzt. Mit samtig gezupftem Bass und am Horizont aufgehenden Geigen.
    »Kannst du auch führen?«, fragte sie mit gesenkter Stimme. Ja, doch, sicher. Auch das konnte Alexander, ziemlichsouverän sogar und elegant, im Gegensatz zu Jakob und mir. Er hätte sich hier nicht darum beworben. Aber nun tanzten die beiden Arm in Arm, langsam. Alexander schwitzte wie beim Abschlussball, als er seine Mutter auffordern musste. Er hielt ängstlich Abstand.
    Die Frau nicht. Sie benötigte keinen Abstand.
    So erzählte er es uns jedenfalls. Ein Mitschnitt ist bis heute nicht im Web aufgetaucht.
    »Sie schob sich allmählich näher«, berichtete er uns. »Und dieses sentimentale Stück endete nicht. Sie schmiegte sich an mich, zuerst zögernd, während die Geigentöne sich ins All dehnten. Erst fühlte ich ihre Brüste, die vielleicht nicht übertrieben groß waren, aber fordernd und keck. Jedenfalls konnte ich sie deutlich spüren. Und dann schob sie sich auch unten
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