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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens.
Autoren: Stefan Zweig
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Konditorei. Wir hatten unsere üblichen drei Partien längt zu Ende gespielt, und man redete nur ausTrägheit, sich aufzurappeln – wohin denn in diesem langweiligen Nest? – noch so hin und her, aber das Gespräch qualmte schon schläfrig wie eine abgebrannte Zigarette. Da geht mit einem Mal die Tür auf, und ein wehender Glockenrock schwingt mit einem Büschel frischer Luft ein hübsches Mädel herein: braune, mandelförmige Augen, dunkler Teint, famos gekleidet, gar nicht Provinz, und vor allem ein neues Gesicht in diesem gottsjämmerlichen Einerlei. Leider schenkt die smarte Nymphe uns respektvoll Aufstaunenden keinen Blick; scharf und rassig, mit sportlich festem Schritt quert sie an den neun kleinen Marmortischchen des Lokals vorbei geradewegs auf das Verkaufspult zu, um dort gleich en gros ein ganzes Dutzend Kuchen, Torten und Schnäpse zu bestellen. Mir fällt sofort auf, wie devotissime sich der Herr Kuchenbäcker vor ihr verneigt – nie habe ich die Rückennaht seines Schwalbenrocks so straff hinabgespannt gesehen. Sogar seine Frau, die üppig-grobschlächtige Provinzvenus, die sich sonst von allen Offizieren nachlässigst hofieren läßt (oft bleibt man ja bis Monatsende allerhand Kleinigkeiten schuldig), erhebt sich von ihrem Sitz an der Kasse und zergeht beinahe in pflaumenweicher Höflichkeit. Das hübsche Mädel knabbert, während der Kuchenbäcker die Bestellung ins Kundenbuch notiert, achtlos ein paar Pralinés an und macht ein bißchen Konversation mit Frau Großmaier; für uns aber, die wir vielleicht ungebührlich eifrig die Hälse recken, fällt nicht einmal ein Augenblink ab. Natürlich beschwert sich die junge Dame nicht mit einem einzigen Päckchen die hübsche Hand; es wird ihr alles, wie Frau Großmaier submissest versichert, zuverlässig geschickt. Und sie denkt auch nicht im mindesten daran, wie wir gewöhnlichen Sterblichen an der stählernen Automatenkasse bar zu bezahlen. Sofort wissen wir alle: extrafeine, vornehme Kundschaft!
    Wie sie sich jetzt nach erledigter Bestellung zum Gehenwendet, springt Herr Großmaier hastig vor, um ihr die Tür zu öffnen. Auch mein Herr Apotheker erhebt sich von seinem Sitze, um sich von der Vorbeischwebenden respektvollst zu empfehlen. Sie dankt mit souveräner Freundlichkeit – Donnerwetter, was für samtene, rehbraune Augen! – und ich kann kaum erwarten, bis sie, überzuckert von vielen Komplimenten, den Laden verlassen hat, um neugierigst meinen Partner nach diesem Hecht im Karpfenteich zu fragen.
    »Ach, die kennen Sie nicht? Das ist doch die Nichte von ...« – nun, ich werde ihn Herrn von Kekesfalva nennen, der Name lautete in Wirklichkeit anders – »Kekesfalva – Sie kennen doch die Kekesfalvas?«
    Kekesfalva: wie eine Tausendkronennote wirft er den Namen hin und blickt mich an, als erwarte er als selbstverständliches Echo ein ehrfurchtsvolles »Ach so! Natürlich!« Aber ich frisch transferierter Leutnant, gerade erst vor ein paar Monaten in die neue Garnison geschneit, ich Ahnungsloser weiß nichts von diesem sehr geheimnisvollen Gott und bitte höflichst um weitere Erläuterung, die mir Herr Apotheker auch mit dem ganzen Wohlbehagen provinziellen Stolzes erteilt – selbstredend viel geschwätziger und ausführlicher, als ich sie hier wiedergebe.
    Kekesfalva, erklärt er mir, sei der reichste Mann im ganzen Umkreis. Einfach alles gehöre ihm, nicht nur das Schloß Kekesfalva – »Sie müssen's doch kennen, man sieht's vom Exerzierplatz aus, links von der Chaussee das gelbe Schloß mit dem flachen Turm und dem großen, alten Park« – sondern auch die große Zuckerfabrik an der Straße nach R. und das Sägewerk in Bruck und dann in M. das Gestüt; all das gehöre ihm und dazu sechs oder sieben Häuser in Budapest und Wien. »Ja, das möchte man nicht glauben, daß es bei uns solche steinreiche Leute gibt, und zu leben weiß der wie ein richtiger Magnat. Im Winter im kleinen Wiener Palais in der Jacquingasse, den Sommer inKurorten; hier führt er grade nur im Frühjahr ein paar Monate Haus, aber, Herrgott noch einmal, was für ein Haus! Quartette aus Wien, Champagner und französische Weine, das Erste vom Ersten, das Beste vom Besten!« Nun, wenn er mir damit gefällig sein könne, werde er mich gerne dort einführen, denn – große Geste der Genugtuung – er sei mit Herrn von Kekesfalva befreundet, habe in früheren Jahren oft geschäftlich mit ihm zu tun gehabt und wisse, daß er Offiziere immer gern bei sich sehe; nur ein Wort
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