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Ungeduld des Herzens.

Ungeduld des Herzens.

Titel: Ungeduld des Herzens.
Autoren: Stefan Zweig
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einer getan und ist darum kein Lump geworden. Oder hast ...« Er trat näher. »Hast vielleicht ein Techtelmechtel mit ihr g'habt und ist jetzt was los? Dann freilich wär's eine schäbige Sach.«
    Ich ärgerte mich und schämte mich. Mich verdroß die lockere, vielleicht beabsichtigt legere Art, mit der er alles mißverstand. So schlug ich die Hacken zusammen:
    »Gestatten Herr Oberst, daß ich gehorsamst bemerke: ich habe diese grobe Unwahrheit, daß ich nicht verlobt sei, vor sieben Offizieren des Regiments am Stammtisch im Kaffeehaus gesagt. Aus Feigheit und Verlegenheit habe ich meine Kameraden angelogen. Morgen wird der Leutnant Hawliczek den Apotheker stellen, der ihm die richtige Nachricht überbracht hat. Morgen wird die ganze Stadt bereits wissen, daß ich am Offizierstisch eine Unwahrheit gesagt habe und mich somit standeswidrig benommen.«
    Jetzt starrte er verblüfft auf. Sein schwerfälliges Denken hatte offenbar endlich eingesetzt. Sein Gesicht wurde allmählich dunkler.
    »Wo war das, sagst?«
    »An unserem Stammtisch, im Kaffeehaus.«
    »Vor den Kameraden, sagst? Alle ham's g'hört?«
    »Zu Befehl.«
    »Und der Apotheker weiß, daß du's abg'stritten hast?«
    »Er wird es morgen erfahren. Er, und die ganze Stadt.«
    Der Oberst zwirbelte und zerrte so heftig an seinem dicken Schnurrbart, als wollte er ihn ausreißen. Man sah,daß hinter seiner niederen Stirn etwas arbeitete. Ärgerlich begann er auf und ab zu gehen, die Hände hinter dem Rücken gekreuzt, einmal, zweimal, fünfmal, zehnmal, zwanzigmal. Der Boden schütterte leise unter diesem harten Trott, dazwischen klingelten leise die Sporen. Schließlich machte er wieder vor mir halt.
    »Na, und was willst tun, sagst?«
    »Es gibt nur einen Ausweg; Herr Oberst wissen das selbst. Ich bin nur gekommen, um mich vom Herrn Obersten zu verabschieden und gehorsamst zu bitten, Sorge zu tragen, daß nachher alles still und mit möglichst wenig Aufsehen erledigt wird. Es soll durch mich keine Schande auf das Regiment fallen.«
    »Unsinn«, murmelte er. »Unsinn! Wegen so was! Ein fescher, g'sunder, anständiger Mensch wie du, wegen so einem Krüppelg'spiel! Wahrscheinlich hat dich der alte Fuchs eing'seift und du hast auf grade Art net mehr auskommen können. Na – denentwegen wär's mir wurscht, was gehn die uns an! Aber das mit die Kameraden und dann, daß dieser blöde Lauser von Apotheker davon weiß, das ist natürlich eine dreckige G'schicht!«
    Er begann wieder auf und ab zu schreiten, heftiger noch als vorhin. Das Denken schien ihn anzustrengen. Jedesmal, wenn er in seinem Auf und Ab wiederkehrte, war sein Gesicht um einen Ton röter geschattet, wie dicke schwarze Wurzeln wuchsen die Adern aus den Schläfen. Endlich blieb er entschlossen stehen.
    »Also paß auf. So was muß rasch gedeichselt werden – redt sich's einmal herum, dann kann man wirklich nix mehr machen. Fürs erste einmal – wer von die Unsrigen war dabei?«
    Ich nannte die Namen. Bubencic zog aus der Brusttasche sein Notizbuch – das kleine, berüchtigte, rotlederne Notizbuch, das er jedesmal wie eine Waffe zückte, sobald er einen vom Regiment bei etwas Ungehörigemerwischte. Wer da einmal eingeschrieben stand, der konnte über seinen nächsten Urlaub das Kreuz machen. Nach bäurischer Art feuchtete der Oberst den Bleistift zuerst zwischen den Lippen an, ehe er mit seinen dicken, breitnägligen Fingern Namen nach Namen untereinander kraxte.
    »Sind das alle?«
    »Ja.«
    »Bestimmt alle?«
    »Zu Befehl.«
    »So.« Er stieß das Notizbuch in die Brusttasche zurück wie einen Säbel in die Scheide. Es war der gleiche klirrende Ton in diesem abschließenden »so«.
    »So – das war einmal erledigt. Morgen b'stell ich sie mir her, alle sieben, einen nach dem andern, eh sie einen Fuß auf den Exerzierplatz setzen, und Gott gnad dem Kerl, der sich nachher noch zu erinnern getraut, was du g'sagt hast. Den Apotheker nehm ich mir dann separat vor. Ich wer' ihm schon was aufbinden, verlaß dich drauf, ich wer' schon was finden. Vielleicht, daß du mich erst hast um Erlaubnis bitten wollen, eh du's offiziell machst oder ... oder, wart einmal« – er trat ruckhaft so nah an mich heran, daß ich seinen Atem spürte, und sah mir mit seinem stechenden Blick in die Augen – »sag aufrichtig, aber wirklich aufrichtig jetzt: hast vorher was 'trunken g'habt – ich mein, vorher, eh du den Blödsinn ang'stellt hast?«
    Ich war beschämt. »Zu Befehl, Herr Oberst, ich habe allerdings, eh' ich
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