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Unendlichkeit in ihrer Hand

Unendlichkeit in ihrer Hand

Titel: Unendlichkeit in ihrer Hand
Autoren: Gioconda Belli
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gezeichnet?«, fragte Adam.
    »Elohim.«
    »Wie? Sag es uns«, forderte Eva.
    »Abel hat gesagt, er würde Luluwas Kindern ein guter Vater sein und ich sollte mit Aklia glücklich werden«, schluchzte er. »Da habe ich ihm erwidert, dass Luluwa und ich eins sind, dass einer ohne den anderen nicht leben kann. Er sagte darauf, es sei Elohims Wille, dass er sich mit Luluwa fortpflanzt. Da habe ich ihn geschlagen. Ich wusste nicht, dass meine Schläge ihn umbringen würden. Ich habe mich versteckt. Dann habe ich Elohims Stimme gehört. Er hat mich nach Abel gefragt. Er hat mich nach Abel gefragt! Er, der alles weiß! Mich hat die Wut gepackt«, weinte er. »Soll ich meines Bruders Hüter sein?, habe ich zurückgegeben. Er sagte, das Blut meines Bruders habe bis zu ihm geschrien. Und er hat mich verflucht! Er hat bestimmt, dass mir die Erde nie mehr Früchte bringt. Er hat mir befohlen, ein Flüchtling zu sein und unstet auf Erden. Ich habe um Gnade gefleht, mich niedergeworfen. Diese Strafe ist so groß, dass ich sie nicht ertragen werde, habe ich zu ihm gesagt. Mich werden die Tiere töten, und jene, die nach uns kommen, werden mich erschlagen. Da hat er mir ein Zeichen auf die Stirn gemacht. Wenn sie das Zeichen sehen, werden sie dich nicht erschlagen, hat er gesagt. Tun sie es doch, sollst du siebenfach gerächt werden.«
     
    Kain machte Anstalten, sich in Adams Arme zu werfen. Zitternd stand er da und weinte bitterlich. Adam stieß ihn weg. Da schloss ihn Eva in die Arme, doch gelang es ihr nicht, ihn auch mit dem Herzen zu umschließen. Kain löste sich von ihr.
     
    Luluwa warf sich auf die Erde. Sie schlug mit der Stirn auf den Boden. Sie dachte an Abel und an Kains Körper, den sie erst vor wenigen Tagen ganz tief in sich gespürt hatte, sie dachte daran, wie sehr sie ihn liebte, und an die Einsamkeit, die sie begleiten würde und in der sie fortan leben mussten. Ihr Wehklagen und Schluchzen war so laut, dass es klang wie das Heulen des Windes, als hätte ein Gewitter von ihr Besitz ergriffen, als würden Blitz und Donner sie zerreißen.
    Alle zusammen trugen sie Abels Leichnam zur alten Höhle, in der er das Licht der Welt erblickt hatte.
    Eva wusch ihm das Blut vom Kopf ab. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn zum ersten Mal an derselben Quelle gewaschen hatte. Wie zart und beweglich und warm er doch nach dem Austritt aus ihrem Körper gewesen war, und jetzt so steif und kalt. Sie ließ die Luft aus ihren Lungen. Und hörte sich selbst heulen wie eine Wölfin. Der Schmerz blieb unangetastet, wie eine frische, durch nichts zu heilende Wunde.
     
    Adam verbrannte duftende Harze neben seinem Sohn. Sie überlegten, ob sie den Leichnam auf dem Herdfeuer verbrennen sollten, damit der Rauch des Opfers zu Elohim aufstiege. Wo warst du, Elohim, als sich meine Söhne schlugen?, fragte Adam im Stillen. Luluwa bat darum, Abels Leichnam in die Erde zu legen. Da Abel keine Kinder hatte, würde sein Leib wenigstens einen Wald hervorbringen und die Früchte versüßen. Adam dachte an das Lächeln seines Sohnes, wenn er aus dem Laub irgendeines Baumes auftauchte. Staub bist du und zu Staub sollst du werden. Fruchtbarer Staub.
     
    Dreimal mussten sie Abel begraben. Die Erde, die vom Tod des Menschen noch nichts wusste, gab ihnen seine Überreste einmal und auch ein zweites Mal zurück. Sie schütteten die Grube zu, aber sie tat sich wieder auf. Erst als Adam und Eva sich beim dritten Mal niederwarfen und die Erde baten, ihn doch freundlich anzunehmen, schloss sie sich über Abels Leichnam und bewahrte ihn für immer.

Kapitel 31
    K ain musste ins Land Nod ziehen. Er sagte, Elohim habe ihm das befohlen.
    Adam lehnte es ab, dazubleiben und ihn aufbrechen zu sehen. Er kehrte allein zur Höhle ohne Erinnerungen zurück. Ihm seien nur Töchter geblieben, sagte er. Die Söhne seien für ihn beide gestorben.
    Eva warf ihm seine Härte vor. Hatte er nicht eigenhändig eine Bärin getötet, die ihr Junges verteidigte, um seinen Hund zu rächen? Er kannte die blinde Wut, wenn man etwas verlor, was einem lieb war.
    »Möge die Zeit, von der du träumst, eines Tages kommen, Eva – die Zeit, in der es keine Grausamkeit gibt.«
    »Vergib Kain.«
    Adam gab nicht nach. Eva dachte daran, wie sie ihn einmal gefragt hatte, ob Elohim ihn aus einer Gesteinsplatte geformt hatte.
    Eva blieb mit den Kindern in der bemalten Höhle.
    Kain und Luluwa wechselten kaum ein Wort miteinander. Sie stellten ihr steinernes Werkzeug zusammen, die Samen und
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