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Underground

Titel: Underground
Autoren: Kat Richardson
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blicken konnte. Der Geruch von Wasserlilien und Rauch stieg in die kalte Luft, während sich aus einer Pfütze neben meinen Füßen ein Tümpel bildete. Ein Steinpfosten erhob sich an seinem Ufer. Ich ging mit unsicheren Schritten darauf zu und band die Leine daran fest.
    Sisiutl rollte sich durch das Gras, wo noch Sekunden zuvor Kopfsteinpflaster gewesen war. Er schnaubte vor Vergnügen. Dann hielt er inne und glitt über den Boden – immer wieder vor und zurück, als ob er einen Tanz aufführte. Qamaits stand neben uns und beobachtete mich aus schmalen Augen.
    Ich zog die Feder aus meinem Knopfloch und begann, Lass aus meinem Inneren herauszuholen. Er schrie und kämpfte dagegen an, um nicht in das Reich der Zeqwa geworfen zu werden. Begleitet von einem quälenden Schmerz riss ich ihn aus mir heraus und sank auf die Knie. Mit der Feder löste ich die letzten Fäden seines Geistes. Sobald er sich im Freien befand, nahm er seine alte Gestalt an. Doch nun wirkte er jünger und sauberer, als ich ihn jemals gesehen hatte. Tatsächlich ähnelte er Quinton ein wenig. Ich zitterte. Er kam mir auf einmal fast vertraut vor.
    Mit gehetztem Blick sah er sich um, als ob er nach einer Fluchtmöglichkeit suchen würde. Doch für ihn gab
es keinen Ausweg mehr. Die Welt des Hauses endete in einem Regenbogen, hinter dem sich die Normalität des Occidental Park verbarg. Die Menge aus Indianern und Geistern stand noch immer um uns herum. Keiner der Zuschauer rührte sich. Sisiutl durchstreifte seinen Garten und schnappte nach Lass, ohne sein ständiges Gemurmel zu unterbrechen.
    Lass wandte sich an Quinton und sah diesen flehend an. »Q… »
    Quinton wirkte ein wenig verwirrt, schüttelte aber trotzdem den Kopf. »Nein, Lass. Du hast schlimme Dinge getan, und diesmal kann ich dir nicht helfen.«
    »Aber … ich habe dir geholfen. Du hast meine Identität angenommen, um dich zu verbergen.«
    »Ich weiß. Es tut mir auch leid, aber es gibt nichts, was ich jetzt noch für dich tun kann.«
    Lass sackte in sich zusammen. »Ich werde nicht … Ich kann nicht …« Bis ins Mark zitternd betrachtete er das unwirkliche Haus der Riesin Qamaits. Dann wanderten seine Augen zu ihr. Sie grinste ihn mit blutigen Zähnen an.
    Qamaits rief Sisiutl, der sich sogleich Lass zuwandte und gierig in die Luft biss. »Wähle!«, befahl sie. »Sisiutl hat Hunger.«
    Lass taumelte zurück und warf mir einen verängstigten Blick zu. Dann musterte er die lange Treppe, die im Nichts endete und im hinteren Teil des Hauses zu erkennen war. Wieder schaute er mich flehend an. »Bitte … Kannst du nicht mitkommen? Ich will da nicht allein rauf!«
    Ich war müde, und mein Körper schmerzte. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als weiterhin Abscheu vor ihm zu empfinden. Aber als ich Lass’ Geist betrachtete, hatte ich nur noch großes Mitleid mit ihm. Woher ich es wusste,
war mir nicht klar – vielleicht ließ mich die Art und Weise, wie Qamaits ihre Lippen leckte oder wie mich Sisiutl gierig musterte, etwas erahnen. Aber ich war mir sicher, dass ich es nicht überleben würde, über die Schwelle des Hauses zu treten. Die beiden Monster würden sich sofort auf mich stürzen.
    »Ich kann nicht mitkommen«, erwiderte ich.
    Qamaits knirschte frustriert mit den Zähnen.
    Lass ließ daraufhin ergeben den Kopf hängen und starrte auf den Boden. »Verstehe«, murmelte er und ging wie ein Kind, das eine Strafe erwartete, auf das Haus zu. Sisiutl und Qamaits hinderten ihn nicht daran.
    Als er die Treppe hinaufstieg, fing das Haus an zu beben. Jede Stufe, die Lass nahm, trug ihn weiter von uns fort. Das Haus begann zu schrumpfen. Dann fing es an, sich zu drehen und in bunten Farben zu funkeln, während sich der Regenbogen in eine Spirale verwandelte und langsam in Luft auflöste. Occidental Park schwebte wieder an seinen ursprünglichen Platz zurück, und das einzige Anzeichen dafür, dass Lass die Reise zu den Göttern angetreten und es Sisiutl gegeben hatte, war das schäbige Puppenhaus. Es sandte noch immer Lichtprismen aus, als es wieder klein und mickrig am Fuß des Totempfahls stand.
    Qamaits hatte sich ebenfalls wieder in eine normalere Größe zurückverwandelt, auch wenn sie noch immer riesig war. Sie sah Quinton und mich finster an und schlurfte dann auf das kleine Haus zu. Fluchend und schimpfend beugte sie sich runter, um es aufzuheben.
    Plötzlich wirbelte sie herum und stürzte sich auf Quinton, die Hände in scharfe Krallen verwandelt.
    Ich schubste Quinton
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