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Undercover

Undercover

Titel: Undercover
Autoren: Patricia Cornwell
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werde ich gut beschützt.«
    Win seufzt, es nützt nichts, ihr in den Ohren zu liegen. Er setzt sich auf einen Stuhl, legt die Hände in den Schoß, weil auf dem Tisch kein Platz mehr ist. Buchstäblich jeder Zentimeter wird eingenommen von Kristallen, Kerzen, Figuren, Ikonen, Talismanen und Glücksbringern. Nana reicht Win zwei große Lorbeerblätter in Klebefolie. Ihr Silberschmuck klirrt, ein Ring an jedem Finger, Armreife bis hoch zu den Ellbogen.
    »Leg die in deine Stiefel, mein Schatz«, sagt sie. »Eines links, eines rechts. Nicht so wie beim letzten Mal!«
    »Was war denn beim letzten Mal?« Win schiebt die laminierten Blätter in die Tasche.
    »Du hast sie dir nicht in die Schuhe gesteckt, und was hat die Hülse dann gemacht?«
    Nanas Bezeichnung für Lamont. Eine leere Hülle, ohne Inhalt.
    »Sie hat dir diesen schrecklichen Auftrag gegeben. Diesen gefährlichen«, beantwortet Nana ihre Frage selbst. »Lorbeer ist die Pflanze Apolls. Wenn du sie in den Schuhen trägst, in den Stiefeln, dann ist der Sieg dein. Achte darauf, dass die Spitze zum Zeh und das untere Ende zu den Fersen zeigt.«
    »Tja, ich habe gerade wieder einen schrecklichen Auftrag bekommen.«
    »Voller Lügen«, sagt Nana. »Sei vorsichtig bei dem, was du tust, denn es geht nicht um das, was sie vorgibt.«
    »Ich weiß, worum es geht. Ehrgeiz. Selbstsucht. Heuchelei. Eitelkeit. Schikane.«
    Nana schneidet das nächste Stück Klebeband ab. »Gerechtigkeit ist genau das, was unsere Gedanken, Worte und Taten bestimmen muss. Ich sehe ein Schild, das sich dreht, und Gummispuren auf dem Asphalt. Bremsspuren. Was hat das zu bedeuten?«
    Win denkt an Stumps Motorradunfall und sagt: »Keine Ahnung.«
    »Pass auf dich auf, mein Schatz! Besonders mit deinem Motorrad. Mir wäre lieber, wenn du nicht damit fahren würdest.« Nana beklebt das nächste Lorbeerblatt.
    Als der Benzinpreis auf drei Dollar pro Gallone stieg, verkaufte Win seinen Hummer und holte sich dafür die Ducati. Ungefähr eine Woche später - welch Zufall - gab Lamont eine neue Dienstanweisung heraus: Nur wer in Bereitschaft sei, dürfe den Dienstwagen mit nach Hause nehmen.
    »Heute Abend tue ich dir den Gefallen, ich muss dein altes Schlachtschiff nämlich auftanken«, sagt er zu Nana. »Bringe es dir morgen wieder zurück. Auch wenn du hinterm Lenkrad nichts mehr zu suchen hast.«
    Er kann es ihr nicht verbieten. Er kann nur dafür sorgen, dass sie nicht irgendwann mit leerem Tank am Straßenrand stehenbleibt. Nana neigt dazu, Banalitäten zu vergessen, zum Beispiel immer genug Benzin im Tank zu haben, nach dem Öl zu sehen, den Fahrzeugschein im Handschuhfach aufzubewahren, die Türen abzuschließen, Lebensmittel einzukaufen, Rechnungen zu bezahlen. Kleinigkeiten eben.
    »Deine Sachen werden wieder schön sauber. Wie immer, mein Schatz.« Sie zeigt auf die Sporttasche auf der Küchentheke. »Kaum hast du sie auf der Haut, wirkt der Zauber.«
    Noch so ein Ritual von ihr. Nana besteht darauf, Wins Trainingsklamotten mit der Hand in einer besonderen Lauge zu waschen, wodurch sie wie ein Kräutergarten riechen. Dann wickelt sie sie in weißes Einschlagpapier und legt sie in die Sporttasche zurück. Ein täglicher Wechsel. Hat etwas von einem Energieaustausch. Das Negative wird beim Schwitzen aus ihm herausgeleitet, gleichzeitig saugt er die Kräuter der Götter in sich ein. Nun, wenn es sie glücklich macht. Über diese Dinge weiß niemand Bescheid.
    Miss Dog rührt sich, legt den Kopf auf Wins Fuß. Nana platziert ein Lorbeerblatt mittig auf einem Klebeband. Sie greift nach einer Schachtel Streichhölzer, zündet eine Kerze in einem bunten Glas an und sagt: »Jemand bohrt in etwas herum und wird dafür zahlen. Einen sehr hohen Preis.«
    »Das macht sie jeden Tag, in etwas herumbohren«, sagt Win.
    »Nicht die Hülse. Jemand anders. Ein Nichtmensch.«
    Nana redet nicht von einem Tier oder Stein. Nichtmenschen sind gefährliche Personen, unfähig zu Liebe oder Reue. Mit anderen Worten: sozial gestörte Menschen.
    »Da fällt mir sofort jemand ein«, sagt Win.
    »Nein.« Nana schüttelt den Kopf. »Aber sie ist in Gefahr.«
    Win greift über den Tisch und nimmt Nanas Autoschlüssel vom ausgestreckten Keramikarm einer kleinen ägyptischen Statue. »Bei Gefahr langweilt sie sich wenigstens nicht.«
    »Du verlässt nicht dieses Haus, mein Schatz, ohne dir die Lorbeerblätter in die Stiefel zu legen.«
    Win zieht die Motorradstiefel aus, legt die Blätter hinein und achtet darauf, dass sie
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