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...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

Titel: ...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
Autoren: Ephraim Kishon
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überzeugt davon, daß in Kürze die Rote Armee einmarschieren würde, und hamsterte eifrig Zündhölzer und Toilettenpapier.
    Unser Verhältnis zur Religion war ebensowenig geklärt. Stalin war zwar die Sonne der Arbeiterklasse, aber sogar seine leidenschaftlichsten Anhänger hatten zumindest einen ehrwürdigen Rabbiner in der Familie und bezeich-neten sich vorsichtig als »loyale Opposition zum Allmächtigen«. Die Fortschrittlichen Israels suchten inzwischen verzweifelt nach einem Klassenfeind, den sie bekämpfen konnten, aber alle potentiellen Kandidaten waren leider so arm wie die Kirchenmäuse.
    Der kollektive Fortschrittstaumel erhielt dann einen empfindlichen Dämpfer durch die Einwanderer aus den Ostblockländern, denen die Lust auf soziale Gerechtigkeit gründlich vergangen war.
    Andererseits sind bis heute unsere berühmten landwirtschaftlichen Kollektive, die Kibbuzim, Hüter der marxistischen Tradition.
    Die Grundidee dieser menschenfreundlichen Institution ist die totale Gleichheit aller. Niemand durfte eine Taschenlampe sein eigen nennen, wenn nicht alle anderen die gleiche Taschenlampe besaßen. Niemand konnte ins Kino gehen, wenn nicht alle Kibbuzmitglieder ins Kino gingen. Ich erinnere mich noch lebhaft daran, daß sich in meinem Kibbuz »Kfar Hachores« bei Nazareth ein verzweifelter Genosse aus Liebeskummer umbringen wollte. Da stellte sich die Frage, ob im Sinne der kollektiven Idee sich nicht auch jene umbringen müßten, die augenblicklich
    Glücklicherweise ging die Krise vorbei, da das Liebes-objekt des lebensmüden Kibbuzim inzwischen stark zugenommen hatte.
    Ein besonderes Land, ohne Zweifel.
    *
    Die wenigen alteingesessenen Israelis mußten innerhalb weniger Jahre mit einer Einwanderungsflut ohnegleichen fertigwerden. Statt Essen gab es Lebensmittelkarten, und in Jerusalem wurde Trinkwasser nur gegen sofortige Barzahlung abgegeben.
    Die Pessimisten unter uns meinten: »Schlechter kann es nicht werden.« Ich hingegen erwiderte als eingefleischter Optimist: »Doch.«
    Schritt für Schritt mußten wir dann die parlamentarischen Spielregeln erlernen. Die sogenannten Minister waren Kibbuzmitglieder und arbeiteten in der Kibbuzküche. Offizielle Anordnungen und vor allem persönliche Empfehlungsschreiben wurden auf Schmierzetteln festgehalten, weil noch keine offiziellen Amtspapiere existierten. Dafür gab es viele Gründe, unter anderem den, daß es auch keine Ämter gab.
    Nach und nach entstanden dann aber doch Regierungsgebäude, und sogar Formulare wurden gedruckt. Das erprobte Zettelsystem hatte in gewisser Weise überlebt und wurde »Protektion« getauft. Diese populäre Methode ist inzwischen so verbreitet, daß ein echter Israeli bis heute kein Lokal betritt, ohne sich danach zu erkundigen, wer von seinen Begleitern Beziehungen zur Kellnerin hat.
    Für die Millionen Einwanderer aus den unterschied-
    lichen Klimazonen war es eine zusätzliche Erschwernis, sich an die brütenden Temperaturen zu gewöhnen. Und obwohl Israel am Mittelmeer liegt, haben viele Neueinwanderer nach dem 1. September nicht mehr gebadet, weil es zu der Zeit in Polen schon zu kalt ist. Wie gesagt, ein ganz besonderes Land.
    *
    Israel ist eine winzig kleine Insel, die nicht von Wasser, sondern von Feindseligkeit umgeben ist. Das einzig Angenehme daran: Jeder kennt jeden. Es gibt keinerlei Geheimnisse zwischen uns. Wenn ein Unbekannter mit Regenmantel und Sonnenbrille an der Tür klingelt und nach dem Öffnen heiser flüstert: »Die roten Krokodile fliegen diesen Winter nicht«, bekommt er womöglich zur Antwort:
    »Tut mir leid, aber der Spion wohnt einen Stock höher.«
    Es war also nur natürlich, daß sich in meiner Heimat mit den Jahren auch ein besonderer Sinn für Humor entwickelt hat. Man hat gelernt, über sich selbst zu lachen. Wenn unser diensthabender Ministerpräsident ein Versprechen bricht, dann redet er sich mit den Worten heraus: »Ich gebe zu, ich habe es versprochen. Aber ich habe nicht versprochen, mein Versprechen auch zu halten.«
    Das Finanzwesen funktioniert auf nicht unähnliche Weise. Regierung wie Bürger begleichen ihre Bankschulden getrost mit neuen Bankschulden. Der einzige Unterschied zwischen denen da oben und jenen da unten ist, daß der kleine Mann für seinen Kredit einen Bürgen braucht. Wenn man in den ruhmreichen Gründerjahren einen Fußgänger in Panik auf die andere Straßenseite flüchten sah, herrschte kein Zweifel daran, daß jemand in der Umgebung einen Bürgen suchte.
    Auf
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