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...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land

Titel: ...und was machen wir am Nachmittag? Satirisches über ein kleines Land
Autoren: Ephraim Kishon
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Penizillinerzeugung halbwegs über Wasser halten könne, aber meine Zeit reichte nicht aus, um einen dieser Schlüsselberufe zu erlernen. Andererseits hatte mein Onkel Jakob von einer freien Stelle in einem Automatenbuffet in Tel Aviv gehört und hoffte, mich dort als Automaten unterzubringen. Auf keinen Fall, so warnte mich Onkel Jakob, sollte ich in einen Kibbuz gehen, denn dort spreche man hebräisch.
    Meine ersten Hebräischkenntnisse hatte ich mir jedoch bereits auf hoher See angeeignet und beherrschte »Schalom, schalom« fließend. Außerdem hatte ich den ersten Band eines antiquarischen hebräischen Wörterbuches bis zum Buchstaben M an Bord geschmuggelt. Ich konnte also getrost in die Zukunft blicken.
    Diese Zuversicht entschädigte allerdings nicht dafür, daß die Verpflegung auf der »Galiläa« sehr zu wünschen übrigließ. Die Mahlzeiten bestanden entweder aus gefrorenem Fischfilet mit schwarzen Oliven oder aus schwarzen Oliven ohne gefrorenes Fischfilet. Nur am Sabbat wurden die schwarzen Oliven durch grüne ersetzt. Der Schiffsrabbiner erinnerte uns zwar gerne an das Bibelwort, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, aber davon ließ unser profaner Hunger auch nicht nach.
    Die Hitze ertrugen wir von Tag zu Tag schlechter. Erst als uns der Kapitän erklärte, daß es eigentlich nicht die Hitze sei, sondern die Feuchtigkeit, die uns zu schaffen machte, fühlten wir uns etwas besser.
    Je länger wir vor Anker lagen, desto hemmungsloser fluchten wir auf die funkelnagelneue Regierung und insbesondere auf unseren Ministerpräsidenten David Ben Gurion. Gezielte hysterische Ausbrüche haben einer Masseneinwanderung aber noch nie geschadet, und so erschien statt Ben Gurion bereits einige Stunden später ein anderes hohes Tier, das sich im Namen der Jewish Agency vielmals entschuldigte und uns höflich aufforderte, unsere Nationalhymne »Hatikwah« anzustimmen. Wir sangen sie, wenn auch ohne Text, und anschließend bestürmten wir ihn mit der Frage, wo man uns unterbringen würde. Einige Einwanderungsgefährten waren entschlossen, nur nach Tel Aviv zu gehen, andere erklärten sich auch mit einem Villenviertel außerhalb der Hauptstadt zufrieden. Die Sparsamen erkundigten sich sogleich nach den Wohnungspreisen: »Wieviel kosten drei Zimmer mit Küche? Zwei Zimmer mit Kochnische? Die Kochnische allein?«
    »Sammle die Zerstreuten, spricht der Herr, und führe sie ins Gelobte Land«, antwortete mit feierlicher Bibelstimme die Jewish Agency.
    Von all unseren Problemen war das Wohnungsproblem tatsächlich das drängendste. Wir erfuhren, daß in der Provinz ein Taubenschlag für zwölf Pfund monatlich angeboten wird, ohne Kaution, dafür aber mit einer Zusatzgebühr von zwei Pfund für die Leiter. Ein weitblickender Rumäne kam auf die grandiose Idee, sich in einem stillgelegten Aufzug eines arabischen Hotels in Jaffa einzuquartieren. Alle beneideten ihn.
    Ich selbst hatte zwei Möglichkeiten: entweder mit einer tripolitanischen Familie mit elf lebhaften Kindern in eine Blechhütte des Übergangslagers von Haifa zu ziehen oder meine Zelte vorübergehend bei Tante Ilkas Untermieter aufzuschlagen, der vor kurzem einen Schlaganfall erlitten hatte und sich nicht wehren konnte. Ich neigte zum Auffanglager, weil man Tante Ilka nachsagte, daß sie als Hauptmieterin die Klosettpapierrollen numerierte.
    Die schwerste Enttäuschung bereitete mir Onkel Jakob. Unter eingefleischten Zionisten sprach man von ihm wie von einer Legende. Er wäre vor dreißig Jahren mit einem kleinen Koffer nach Palästina gekommen und besäße denselben Koffer noch heute. Und mehr noch, er hätte auch einen riesengroßen Kühlschrank. Wie sich später zeigte, war der Kühlschrank mit seiner Wohnung identisch. Das Luxuriöse daran war, daß das Licht von selbst anging, wenn jemand die Tür öffnete.
    Unterdessen hatte man den Hafenmeister schlafend im Wartesaal gefunden, und wir durften endlich ans Gelobte Land. In einem Holzverschlag, von dessen Decke eine
    nackte elektrische Birne herabbaumelte, saß hinter einem wackeligen Tisch ein an seiner kurzen Hose und an seinem fließenden Jiddisch identifizierbarer Einwanderungsbeamter.
    Wir waren tief ergriffen. Schließlich war es das erste Mal, daß wir in unserer neuen Heimat Schlange stehen durften.
    Nach einer Stunde hatte ich den Tisch erreicht. Durch Brillengläser, die ihm ständig von der Nase rutschten, sah der Beamte mich traurig an.
    »Name?«
    »Kishont Ferenc.«
    Das irritierte ihn
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