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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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an Deck auf. Er taumelte auf den Steg zum Ufer, kam schwankend immer näher, und bei jedem Schritt tropfte das Blut auf die Planken und den Steg und den Boden.«
    Miras Stimme brach, und sie schlug eine Hand vor den Mund, als wollte sie all die Worte, die nicht ihre waren, wieder verschlucken.
    »Weiter.« Van Leeuwen wusste, solange Pamit redete und solange Mira übersetzte, was er sagte, würde nichts geschehen.
    »Shak begriff schnell, was geschehen war, er begriff es sofort, under sprang aus dem Wagen und nahm Pamit das Messer weg und befahl ihm, zu warten, hier beim Wagen ! Pamit bekam noch mehr Angst, denn so hatte er seinen großen Bruder noch nie gesehen, und er hatte auch Angst, als er sah, wie Shak jetzt selbst mit dem Messer auf Amir losging, wie er ihn vor sich hertrieb, zurück auf das Boot, bis er alle beide nicht mehr sehen konnte, und die ganze Zeit wusste er, dass es seine Schuld war, alles war seine Schuld, deswegen wollte er sich nur noch verkriechen, irgendwo verstecken, und er kletterte in den Mercedes, kroch hinter die Vordersitze und rollte sich zusammen, weil er nichts mehr hören und sehen wollte.«
    So also war es, dachte Van Leeuwen. Zwei Mörder – einer, der nicht wusste, was er tat, und einer, der genau wusste, was er tun musste, um den anderen zu beschützen. Shak verfolgte den sterbenden Amir bis in den Bauch des Bootes und tötete ihn endgültig, um sicherzugehen, dass er niemandem je von Pamits Tat erzählen konnte. Er durchsuchte das Boot und fand das gestohlene Rauschgift. Er flüchtete ans Ufer und verstaute das Opium im Kofferraum des Mercedes, bevor er in nackter Panik hinter das Lenkrad rutschte und so heftig Gas gab, dass der Wagen ausbrach und mit dem Heck den Drahtzaun am Straßenrand streifte. Auf dem Firmengelände von Sharma & Sons trug er den verstört wimmernden Pamit in sein Zimmer, zog ihn aus, wusch ihn und schaffte seine Kleider weg. Danach wechselte er seine eigenen Kleider, wusch sich ebenfalls und weckte seinen Vater, um ihm zu sagen, was geschehen war. Aber nicht die ganze Wahrheit. Pamit kam in diesem Bericht nicht vor, nur Amir und Shak, ein Messer und das Opium.
    »Wussten Sie es?«, fragte der Commissaris und sah Mira an. »Wussten Sie Bescheid?«
    Mira ließ die Hand sinken. »Nicht von Anfang an, aber irgendwann wusste ich es. Pamit war wie ein kleiner Kessel, der zu explodieren drohte. Er musste mit jemandem reden.«
    »Und er hat mit Ihnen geredet«, sagte Van Leeuwen. Und Sie haben auch geschwiegen , dachte er, aus Liebe . Sein Blick suchte Radschiv Sharma, aber er fand ihn nicht mehr. Er fand einen Mann, der kaum noch Ähnlichkeit hatte mit dem stolzen Firmenbesitzer, den sie bei ihrem ersten Besuch im Palast der 1000 Gewürze angetroffenhatten. Er hat es nicht gewusst, schoss es ihm durch den Kopf, er hat es vielleicht geahnt, aber er hat es nicht gewusst. Niemand hat es ihm gesagt, bis jetzt.
    Radschiv Sharma war kleiner geworden. Zerbrechlicher. Mit beiden Armen hielt er sich an sich selbst fest. Er umklammerte seinen Oberkörper, während die Beine unter ihm nachgaben und einknickten. Im letzten Moment, ehe er zu Boden sank, richtete er sich wieder auf, und diese Anstrengung erforderte seine ganze Konzentration. Es gab nichts Wichtigeres für ihn in diesem Moment, als aufrecht stehen zu bleiben, egal, wie oft seine Knie einknicken wollten.
    Plötzlich wusste Van Leeuwen, was Sharma gerade dachte: Es ist meine Schuld . Nicht die von Shak oder Amir und schon gar nicht die von Pamit – es ist meine Schuld! Ich habe als Erster den Weg der Tugend verlassen. Ich habe mit dem Schmuggeln angefangen, nicht Shak. Ich – nicht Shak – habe dem Bösen die Tür geöffnet, und Henk Dekker ist eingetreten. Ich – nicht Shak – habe meine Familie zerstört, meine Firma, mein Lebenswerk.
    Van Leeuwen wusste, dass er das dachte, weil er es seinem Gesicht ansah und weil er sich daran erinnerte, wie Mira bei ihrem Verhör von der Nacht erzählt hatte, in der sie von Shaks Klopfen an Radschivs Wohnwagentür wach geworden war.
    Henk Dekker sagte die ganze Zeit kein einziges Wort. Fast staunend betrachtete er den Jungen, der da vor ihm stand, mit dem Messer herumfuchtelte und in einer fremden, unverständlichen Sprache auf ihn einschrie. Es schien fast, als wollte er Pamit Zeit geben, sich all das von der Seele zu reden, was ihn seit zwei Wochen quälte, bevor er entschied, wie er sich nun verhalten sollte. Den unterschriebenen Vertrag in der einen Hand, die andere
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