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Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall

Titel: Und verfuehre uns nicht zum Boesen - Commissaris van Leeuwens zweiter Fall
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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war, als gäbe es im ersterbenden Licht nichts zwischen ihnen, nur ihre Blicke, mit denen sie sich erkannten. Der Mann hob einen Arm mit einer Pistole und richtete sie auf Van Leeuwen und Gallo, während er mit der Pistole in der anderen Hand weiter auf Julikas Rücken zielte. »Mijnheer van Leeuwen, lassen Sie Ihre Dienstwaffe stecken – Sie auch, Hoofdinspecteur Gallo –, oder nein, werfen Sie sie weg, und kommen Sie her. Die Vorstellung hat gerade erst angefangen, und wenn Sie tun, was ich sage, erleben Sie alle auch das Ende!«
    Van Leeuwen nickte Gallo zu, und beide gehorchten, und dann ließen sie zu, dass Zollinspecteur De Vries sie alle drei mit den Pistolen vor sich her über den Hof trieb. Sie hatten keine Wahl, und der Commissaris wusste auch nicht, ob er nach allem überhaupt noch eine Wahl haben wollte. Er suchte nach seinem alten Zorn in sich. Aber stattdessen fiel sein Blick auf Julikas Gesicht, und da sah er, dass ihre Augen feucht waren, feucht und glänzend. Trotz der Pistolen,trotz allem, was um sie herum geschah, zitterte ein Lächeln auf ihren Lippen, und der Commissaris begriff, dass sie gedacht hatte, er sei tot.
    Im Dunkel außerhalb der Scheinwerferkegel des Mercedes näherten sie sich Mira, die Pamit genauso gebannt lauschte wie Shak und Radschiv.
    »Was sagt er?«, fragte De Vries.
    Van Leeuwen hatte das Gefühl, etwas zu erleben, das es nicht geben durfte. Etwas geschah mit ihnen allen hier, etwas Unerhörtes, für das es keine Regel gab. Aber es hatte nichts mit ihm zu tun, sondern mit Dekker und dem Jungen. »Was sagt Pamit?«, fragte er Mira.
    Mirabal antwortete nicht. Pamit liefen jetzt Tränen über die Wangen, vermischten sich mit dem Schmutz und rannen ihm in die Mundwinkel und über das Kinn. »Was sagt er denn?«, fragte der Commissaris noch einmal.
    »Amir hat Shak wehgetan«, antwortete Mira endlich, ohne ihn anzuschauen. »Er hat etwas genommen, das ihm nicht gehörte, und als Shak ihn daran hindern wollte, haben sie sich geprügelt, und Amir hat Shak zu Boden geschlagen. Danach ist Amir weggelaufen. Shak hat sich nicht mehr gerührt, und da hat Pamit gedacht, er wäre tot. Er hat das Messer da liegen sehen und hat es genommen und ist Amir nachgerannt.«
    Es gab also doch ein Messer hier, dachte Van Leeuwen, natürlich gab es eins.
    Pamit redete weiter und fuchtelte dabei immer heftiger mit der Klinge in seiner Hand herum.
    » Was sagt er?!«
    »Als er aus der Halle kam, war Amir schon weg«, übersetzte Mira stockend. »Aber er wusste, wo er suchen musste, denn er war Amir schon vorher einmal nachgeschlichen, weil er wissen wollte, wohin sein Freund ging, wenn er nicht mehr bei ihm war. Er wusste von dem Hausboot, wo Amir sich versteckte, und da rannte er hin. Als er ankam, sah er Amir über das Deck laufen und im Boot verschwinden und ist ihm nach. In der Kombüse hat er ihn dann eingeholt.
    Er wollte mit ihm reden. Er wollte nur mit ihm reden, weil er nicht verstanden hat, warum Amir auf einmal so war. Aber Amir hat ihn weggestoßen. Er hat ihn angeschrien und verhöhnt und gesagt, dass sie nie Freunde gewesen sind und dass sein Bruder und sein Vater Verbrecher wären, und da hat er zugestochen. Er hat rotgesehen und ist auf Amir losgegangen, mit dem Messer, und er hat ihn in die Brust gestochen und ins Gesicht und in die Hände, kreuz und quer. Er wusste gar nicht, was mit ihm passierte. Erst als Amir in die Knie ging und alles voller Blut war, wachte er auf. Er dachte, dass Amir sterben würde und dass er schuld war, dass alles seine Schuld war, und da ist er weggerannt.«
    Henk Dekker starrte Pamit an, die kleine zitternde Gestalt im Licht der Scheinwerfer, mitgerissen und geschüttelt vom Strom der eigenen Worte. Er konnte die Augen nicht von dem Jungen lösen. Er konnte nicht wegschauen, zu Van Leeuwen oder Gallo oder Julika oder De Vries, obwohl er gemerkt haben musste, dass sie da waren.
    »Er ist weggelaufen«, fuhr Mira fort zu übersetzen, »runter vom Boot, noch immer mit dem Messer in der Hand. Da sah er einen Wagen auf dem Weg, den roten Wagen, der seinem Vater gehörte, aber sein Vater saß gar nicht drin. Es war Shak, dem es wieder gut ging. Er wäre beinahe vorbeigefahren, obwohl Pamit ihm einmal erzählt hatte, wo Amir wohnte, weil er Shak alles erzählte. Dann entdeckte Shak Pamit doch und trat auf die Bremse, und als er noch im Wagen saß und seinen kleinen Bruder mit dem ganzen Blut an den Händen und auf dem Hemd sah, tauchte auf einmal Amir hinter ihm
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