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Und trotzdem ist es Liebe

Und trotzdem ist es Liebe

Titel: Und trotzdem ist es Liebe
Autoren: Emily Giffin
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für ihre Spielsachen und Bilderbücher.
    Am Erwachsenentisch fährt meine Mutter jetzt fort. Sie schaut zur Decke, als betrachte sie die zahllosen Segnungen ihres Lebens. Sie ist immer gut für eine unerwartete, aufsehenerregende Dankesrede. In einem Jahr hat sie gesagt: Ich bin dankbar, dass Ross Perot bei der Wahl so gut abgeschnitten hat . Und ein andermal: Ich bin dankbar, dass mein Mann Dwight jetzt begriffen hat, dass Geschenke von Kohl’s und anderen Ladenketten dieser Sorte, mögen sie noch so gut gemeint sein, nicht akzeptabel sind .
    Dieses Jahr schlägt sie den Weg des Selbstlobs ein und erklärt: «Ich bin dankbar für die kreative Energie, die unser Herr mir geschenkt hat, nachdem ich nun meine neue, aufregende Laufbahn als Fotografin begonnen habe.»
    Ich versuche, nicht loszuplatzen, und in meinem Bemühen hilft mir die Tatsache, dass jetzt Scott an der Reihe ist. Seine Augen sind geschlossen, als bete er. Letztes Jahr, das weiß ich noch, war er dankbar, weil die Börse sich erholte und die Wirtschaft wieder in Fahrt kam. Dieses Jahr räuspert er sich und sagt: «Ich bin dankbar, dass ich hier an diesem Tisch sitzen darf.»
    Dieser schlichte Satz ist die aufrichtigste und bescheidenste Äußerung, die ich jemals von ihm gehört habe, und ich bin wider Willen gerührt. Ich bin noch lange nicht so weit, dass ich ihm verzeihe, aber mir wird klar, dass Mitgefühl ein erster Schritt sein könnte. Maura dagegen sieht völlig ungerührt aus, und sofort kontert sie mit: «Ich bin dankbar für meine wunderbaren Kinder, meine hilfreichen Eltern und meine treuen Schwestern.»
    Autsch , denke ich.
    «Und was ist mit Daddy?», fragt Zoe.
    «Ach ja, Zoe, danke», sagt Maura. «Ich bin dankbar, dass ihr einen Daddy habt, der dich und deine Brüder liebt.»
    Damit ist Zoe offenbar zufrieden, und weiter geht es mit meinem Dad. Er ist wie üblich dankbar für die Gesundheit aller an diesem Tisch, und dann bin ich an der Reihe.
    Ich weiß, es gibt eine Menge, wofür ich dankbar sein kann, aber ich kann nur an Ben denken. Daran, wie leer mein Leben ohne ihn ist. Ich überlege noch einen Augenblick lang und schaue in die Gesichter am Tisch. Ben und ich waren unsere eigene kleine Familie, aber jetzt sind die Menschen hier im Zimmer die einzige Familie, die ich habe. Die einzige Familie, die ich wahrscheinlich jemals haben werde. Also sage ich: «Ich bin dankbar für die Liebe in diesem Zimmer. Dankbar dafür, zu wissen, dass wir trotz aller Nöte, in die wir vielleicht geraten, am Ende immer füreinander da sein werden.»
    Alle sind einen Moment lang still. Sogar William und Patrick machen ernste Gesichter.
    «Okay», sage ich. «Daph?»
    Wir alle schauen meine Schwester an. Sie und Tony nehmen sich bei der Hand und lächeln einander an, und sofort weiß ich, dass sie eine große Neuigkeit haben. Dass wir einen handfesten Grund haben, glücklich zu sein.
    Und richtig, meine Schwester lächelt wie ein Engel und sagt: «Tony und ich möchten dieses Jahr gemeinsam sprechen.» Sie schaut in die Runde. «Wir sind dankbar dafür, dass Gott uns endlich mit einem Kind gesegnet hat.»
    Meine Mutter schnappt nach Luft. «Mein Gott! Du bist schwanger! Das ist ein Wunder!»
    «Nein, Mutter», sagt Daphne rasch, «ich bin nicht schwanger. Aber du hast recht, es ist ein Wunder.» Ihre Stimme bricht, als wolle sie anfangen zu weinen, und Tony spricht weiter. «Wir adoptieren ein Baby. Einen kleinen Jungen. Er kommt am zweiundzwanzigsten Dezember.»
    Einen Augenblick lang sind wir alle wie vom Donner gerührt, und dann verwandelt sich unser kollektiver Schock in reinste Freude, und wir brechen gleichzeitig in Lachen und in Tränen aus. Daphne fasst sich wieder und sagt, wir sollen essen, bevor alles kalt wird.
    «Als ob wir jetzt essen könnten! Erzählt uns alles ganz genau!» Maura steht auf und umarmt Daphne, und dann gibt sie Tony einen Kuss auf die Wange.
    Wir alle tun jetzt das Gleiche; wir stellen uns an, um den stolzen künftigen Eltern zu gratulieren. Sogar Scott scheint zu vergessen, dass er in Ungnade ist, und klatscht mit Tony ab.
    Als wir alle wieder sitzen und uns über unser Thanksgiving-Essen hermachen, berichtet Daphne uns von ihrer schicksalhaften Begegnung mit der leiblichen Mutter ihres Sohnes in einem «Easy Spirit»-Laden in der Mall in Huntington. Wir alle müssen über ihre Einleitung lachen, denn es ist typisch Daphne, sich im Schuhgeschäft mit einer Fremden anzufreunden.
    «Easy Spirit?», fragt Maura und sagt
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