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Und jeder tötet, was er liebt

Und jeder tötet, was er liebt

Titel: Und jeder tötet, was er liebt
Autoren: C Westendorf
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bin untröstlich über dieses Missverständnis. Sie waren uns für morgen früh angekündigt, ich hoffe, Sie können uns verzeihen. Normalerweise weiß ich, was sich Damen gegenüber gehört.“ Martin Kuhn lächelte sie an. „Kaffee? Sie sind nicht zufällig mit Jan Greve verwandt, dem Mittelfeldgenie beim Hamburger Fußball-Club? Fußball ist meine Leidenschaft, ich bin im Vereinsvorstand, Sie verstehen also meine Neugierde.“
    „Jan ist mein Schwager, aber ich spiele auch ganz gut Fußball.“
    Ein irritierter Blick traf Anna, dann hatte er zu seinem gönnerhaften Lächeln zurückgefunden.
    „Wir müssen unbedingt mal zusammenkommen, vielleicht beim nächsten Heimspiel?“
    Kuhn hielt mitten in der Bewegung inne. „Weber, seien Sie so nett und stellen sich selber vor, ich muss dringend telefonieren.“
    Anna fühlte sich wie auf einem Kaffeeklatsch, dieser Mann hatte so gar nichts von einem Kriminalrat.
    „Hallo, Frau Greve.“ Weber schüttelte ihr die Hand. „Wir kennen uns doch.“ Er sah Martin Kuhn hinterher. „So ist der Chef, immer auf ’m Sprung, immer sehr beschäftigt.“
    Anna lächelte nicht. Weber blickte betreten um sich und sagte: „Tschuldigung, Frau Greve, ich muss eben kurz etwas erledigen. Ich bin gleich wieder da.“
    Anna sah ihrem neuen Kollegen irritiert hinterher. Ob man hier rauchen durfte? Sie verschränkte die Hände hinter ihrem Rücken und überlegte. Woher sollte sie Weber kennen? Unvermittelt erinnerte sie sich an einen jungen Mann, dem sie während ihrer Ausbildung auf der Akademie begegnet war. Weber. Damals war er gebeugt gegangen und sehr dünn, fast schlaksig gewesen. Sein feines, viel zu langes rotblondes Haar hatte schon damals dringend einen neuen Schnitt benötigt. Genau wie heute. Weber musste jetzt, wie Anna, Anfang 40 sein, vielleicht ein, zwei Jahre älter. Sie fragte sich, ob seine vielleicht angeborene Unterwürfigkeit verhindert hatte, dass er auf der Karriereleiter weiter nach oben geklettert war. Anna hatte ihn nie gemocht, nur war ihr das früher gar nicht bewusst gewesen, dazu hatte es einfach zu wenig Berührungspunkte gegeben. Warum musste es ausgerechnet diese Abteilung sein? Weber war zurückgekommen, lächelte schüchtern. Wenig erheitert über die Aussicht, in Zukunft mit ihm, dem Nacktmulch, wie die Kollegen Weber früher genannt hatten, zusammenzuarbeiten, rang sie sich zu ein wenig Freundlichkeit durch.
    „Ich habe ein paar Sachen für meinen Einstand im Auto. Wollen Sie mir tragen helfen?“
    Zehn Minuten später, jeder hatte ein Glas Sekt, der durch die Zeit im Wagen lauwarm geworden war, in der Hand, kam die unvermeidliche Ansprache des Dienststellenleiters Martin Kuhn. Er machte es kurz und sah bereits nach ein paar allgemein gehaltenen Sätzen und guten Wünschen auf die Uhr.
    „Kollegen, ich muss los. Lecker übrigens die Häppchen, Frau Greve.“
    Sie zog die Augenbrauen hoch, denn auf Kuhns Teller lag noch ein angebissenes Krabbenbrötchen, von dem er mehr als die Hälfte übrig gelassen hatte. Erleichtert löste sich die kleine Gemeinschaft auf.
    „Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen Ihren Arbeitsplatz.“
    Weber führte sie zu einer Tür neben dem Sekretariat von Frau Schenkenberg. Es war ein kleiner Raum. In der Mitte befanden sich zwei zusammengeschobene Schreibtische, an der Wand zu ihrer Linken stand ein Aktenschrank, der aus allen Nähten zu platzen drohte. Dem Eingang gegenüber lag zum Glück ein großes Fenster, durch das genügend Licht ins Zimmer fiel. Ihr Büro war bewohnbar, auch wenn sie es mit Weber teilen musste. Wer wohl die mickrigen Pflanzen auf der Fensterbank vergessen hatte? Drei Töpfe, ein Blumenkasten aus Terrakotta. Daneben zwei Plastiksprühflaschen mit Flüssigkeiten undefinierbaren Inhalts. Wasser? Anna widerstand der Versuchung, die Feuchte der Blumenerde in den Töpfen zu prüfen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und ertappte sich bei dem Wunsch, der Tag möge endlich zu Ende gehen.
    Als sie am Abend wieder einen Blick in den Aufenthaltsraum warf, lag ein Großteil ihrer mitgebrachten Häppchen noch immer unberührt auf dem Tisch. Sie sahen durch das stundenlange Herumstehen in der warmen Luft ziemlich mitgenommen aus. Die Mayonnaise hatte sich stellenweise dunkel verfärbt, auf einigen Schnittchen begann sich der Braten an den Enden bereits zu wellen. Sie entsorgte das Essen im Mülleimer. Auf morgen, sagte Anna zu sich selbst. Dann kippte sie den Rest aus der Sektflasche in ihr Glas, prostete sich zu
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