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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman
Autoren: Paola Calvetti
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zweihunderteinundsiebzigtausendsechshundert Stunden kann ich ihn nicht mehr anrufen. Ich könnte den enttäuschten Blick eines Mannes nicht ertragen, der aus Gründen der guten Erziehung – er war immer äußerst wohlerzogen – nicht sagt, was ihm durch den Kopf geht, »da bin ich ja noch einmal davongekommen« nämlich. Was wäre außerdem, wenn er fett wäre oder durchgedreht, Vertragshändler für Autos, Handelsvertreter, Anwalt, Notar. Oder Manager, der slides sagt statt Dias, briefing statt
Besprechung, badge statt Abzeichen wie die Pfadfinder. Oder pho ne room statt Telefonzentrale. Bleibt allerdings der Zettel, der am Daumen meiner rechten Hand klebt. Wieso um alles in der Welt rennt jemand mit einem Zettelblock in der Tasche herum? Vielleicht ist er Künstler oder eine gewissenhafte Person, die sich Notizen macht und sie sich zu Hause an den Kühlschrank heftet. Vielleicht ist er ein Aufreißer, der zufällig Federico heißt. Gabriella um Rat zu fragen, kommt nicht in Frage. Sie würde die Vorteile und Nachteile abwägen, würde über die Hintergründe spekulieren und das Ganze aufbauschen. Nach einer exakten Bestandsaufnahme der bekannten Tatsachen -Telefonnummer, Handschrift, für die Botschaft gewähltes Buch, Bedeutung der Vergangenheit, verstrichene Zeit zwischen Abschied und Auffinden der Botschaft – würde sie für A. plädieren.
    Archiv.
     
    »Hallo. Ich bin’s.«
    »Gott sei Dank. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben.«
    Er hatte nach fünf endlosen Klingelzeichen abgenommen.
    Jetzt höre ich die Stimme, die mich den ganzen Tag in einem Zustand zwischen Wagemut und weisem Zögern gehalten hat. Die Stimme am anderen Ende der Leitung kommt schnell zur Sache und ist keineswegs so weich, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich bremse den Impuls, die Unterhaltung zu beenden, bevor sie auch nur angefangen hat. Schön hinsetzen, es gibt keinen Grund, sich aufzuregen.
    »Wie geht es dir, Emma?«
    »Gut. Mir geht es gut. Wo bist du?«
    Ich habe sie tatsächlich gestellt, diese Frage. Ausgerechnet ich, die ich meine Verachtung für Mobiltelefone und speziell für diese Frage, auf die jede beliebige Person mit jedem beliebigen Unsinn
antworten kann, in alle Welt hinausposaune. Ausgerechnet ich, die ich Mattia mein Nokia (in meinem früheren Leben hatte ich auch so etwas) angedreht habe und dann zunächst ein dumpfes Verlustgefühl verspürte, schließlich aber ein snobistisches Gefühl der Befreiung. Ich gebe gern zu, dass die ersten Tage eine Katastrophe waren, aber ich hatte der halben Welt meine historische Entscheidung mitgeteilt und konnte nicht mehr zurück – das ist, als wenn man Diät macht oder zu rauchen aufhört und es allen sagt, denen man über den Weg läuft. Mögen die ersten Stunden, die ersten Tage, die ersten Wochen ohne zwanghafte Konversation auch schrecklich sein, wenn man den Wiederholungszwang kraft des eigenen Willens besiegt hat, steigt das Selbstwertgefühl ins Unermessliche. Handy und PC waren Teil meines Körpers geworden. Wenn mein Computer abstürzte, war ich am Boden zerstört. Nicht auf Mails zu antworten, war ein Zeichen schlechter Erziehung, und wenn ich im Speicher meine SMS gelöscht habe, war mir, als löschte ich damit meine Identität aus. Die wichtigsten habe ich in ein kleines, in Varese-Papier eingeschlagenes Heft übertragen. Alice wirft mir »steinzeitliche Sturheit« vor, aber das trifft es nicht. Ich verhelfe dem unantastbaren Recht auf Unauffindbarkeit zu neuer Geltung und gönne mir das perverse Vergnügen, nicht erreichbar zu sein. Nicht immer online zu sein, hat seine Nachteile – durch meine Verwandlung habe ich den Kontakt zu einer Menge Leute verloren -, aber ich genieße nun die Freiheit, keine Spuren mehr hinterlassen zu müssen. Ich glaube, dass es möglich ist, ohne Technologie zu leben. Wer mich mag, findet mich auch. Ich habe einen Festnetzanschluss, und sowohl zu Hause als auch im Laden steht ein Telefon mit schwerem Hörer und Wählscheibe.
    »Ich bin im Hotel. Montagmorgen fliege ich nach New York zurück. Da lebe ich jetzt.« Die Nachricht seines baldigen Auf
bruchs beruhigt mich. »Wir könnten zusammen essen gehen. Heute ist es allerdings schon ziemlich spät. Sollen wir uns morgen treffen?«
    »Zum Essen?«
    Warum stammle ich? Das ist schließlich nicht das erste Mal, dass mich jemand zum Essen einlädt. Ich verpasse mir innerlich eine Ohrfeige.
    »Morgen früh zum Kaffee? Oder besser zum Mittagessen? Wenigstens ein kurzes
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