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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman
Autoren: Paola Calvetti
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Treffen...«
    Federico drängt. Aus der Geschwindigkeit, mit der sich seine Worte überschlagen, könnte man schließen, dass er von kindlicher Begeisterung gepackt ist oder möglicherweise Angst vor einem kühlen, entschiedenen »Nein« seiner ehemaligen Schulkameradin hat. Vor einem unbestimmten »Ich kann nicht« oder einem »Das tut mir wahnsinnig leid, aber ich habe am Wochenende schon etwas vor, es wäre so schön gewesen, sich nach so langer Zeit wiederzusehen«. Ich habe in den nächsten vierundzwanzig Stunden nichts vor. Nichts, als mich unwiderstehlich zu machen. Federico redet, ich sehe seine knochigen Finger vor mir, die eckigen, abgekauten Fingernägel, die asymmetrischen Hände, die sich wie Fische in einer Goldfischkugel bewegen. Gerade erst habe ich sie wiedergesehen. Bevor ich den Mut fand, die Nummer zu wählen, habe ich zwischen Fotos von Verwandten, Grundschulfreunden, Taufen, Erstkommunionen und Examensessen herumgewühlt, bis er schließlich aus dem Haufen aufgetaucht ist, vor einem weiß gekalkten Haus am Meer. Auf der Rückseite stand mit Kuli: »23. August 1969«. Ich zögere, als plagten mich Gott weiß welche Fragen. Wie sieht ein Fünfzigjähriger aus, den ich seinem Schicksal überlassen habe, als er noch nicht einmal zwanzig war?
    »Federico...«
    »Emma...«

    »Und wenn wir uns nicht wiedererkennen?«
    Sei es wegen der Stimme, sei es wegen des Fotos, das ich am Nachmittag angeschaut hatte, plötzlich sah ich seine perfekten, tadellos weißen Zähne vor mir.
    »Im Zweifelsfall können wir doch telefonieren, oder? Außerdem habe ich dich vor ein paar Stunden gesehen. Soll ich vorbestellen? Gibt es die Trattoria in Santa Marta noch?«
    Er scheint überschwänglich, fast übermütig. Meine Stimme überschlägt sich, was er sicher merkt.
    »Die hat der Sohn übernommen. Okay, um halb neun dort. Meine Nummer ist die 02 34 93 4738, für alle Fälle. Hast du einen Stift griffbereit?«
    »Schon notiert. Bis morgen.«
    Klick. Ich lasse den Hörer auf die Gabel fallen, nachdenklich, wie im Film. Und nun?
    Morgen ist Sonntag. Wenn ich mir die Haare allein wasche, wird mein 80-Euro-Carré-Schnitt die Form eines Salatkopfs annehmen. Der Friseur ist eine meiner Drogen, wie das Sportstudio und die Kosmetikerin, und ich lasse mir wöchentlich die Haare nachschneiden. Die Lösung des Problems trägt den schönen Namen Alice, die aus Liebe zum Buch ihr literaturwissenschaftliches Abschlusszeugnis in die Schublade gesteckt und eine befristete Anstellung »im Vertriebsbereich« angenommen hat.
    »Ich such dir im Internet einen Friseur raus, der auch zu den Kunden nach Hause kommt, und mache einen Termin für dich. Du wirst schon sehen, dass ich es schaffe, ihn auch für morgen zu buchen. Ach so, Emma, brauchst du auch eine Maniküre?«
     
    »Mama, ich bin spät dran und hab kein Benzin mehr. Andrea wartet unten vor seinem Haus auf mich, und mein Handy ist leer. Ich habe genau neuneinhalb Minuten, um zu duschen.«

    Die nervenaufreibenden Auftritte von Mattia stören mich heute Abend. Ich versuche mich gerade mit dem gebotenen Ernst auf die wimpernverlängernde Mascara zu konzentrieren, als ich ihn mit der energischen Arroganz, die ich normalerweise so rührend finde, gegen die Badezimmertür klopfen höre. Jetzt lenkt mich das von den Restaurationsmaßnahmen ab, die sich schon seit Stunden hinziehen. Sechs Stunden habe ich investiert, um mich meines Äußeren auch nur ein klein bisschen sicher zu fühlen, und er treibt mich zur Eile an.
    »Du kannst ihn doch vom Festnetz aus anrufen, oder? Andrea, meine ich«, schreie ich ihm durch die Tür zu, von der er sich keinen Schritt wegbewegt.
    »Mum, was ist das für eine blödsinnige Musik?«
    »Das ist My Girlvon den Temptations, du Ignorant. Du kannst ins Gästeklo gehen.«
    Für Mattia gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Körperpflege und Sex. Wenn er so scharf darauf ist, sich zu waschen, dann trifft er mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Mädchen, das mit ihm ins Bett geht. Wenn ich mitjemandem ins Bett gehen sage, guckt er mich stets mitleidig an.
    »Man sagt ficken, Mama.«
    Ich kann nicht ficken sagen. Als ich ihn allerdings einmal dabei beobachtet habe, wie er sich Zahnseide durch die Zahnzwischenräume zog, Pfefferminzbonbons lutschte, sich bei der Körperpflege auf den unteren Teil seines Körpers konzentrierte und meinen Rat zu verschiedenen Deos einholte, war ich fast gerührt. Und trotz meiner Unkenntnis bezüglich der sexuellen
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