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Und immer wieder Liebe Roman

Titel: Und immer wieder Liebe Roman
Autoren: Paola Calvetti
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der vergangenen zweihunderteinundsiebzigtausendsechshundert Stunden einmal absieht, schon kennen. Würde man an die Zeit
dazwischen rühren, würde das etwas über den gegenwärtigen Gemütszustand aussagen, aber tatsächlich fällt mir nichts dazu ein.
    »Du arbeitest in einem sehr netten Laden«, sagt er.
    »Das ist kein Laden. Das ist eine Buchhandlung, und sie gehört mir. Ich habe sie geerbt.«
    »Muss schön sein, eine Buchhandlung zu erben, statt haufenweise Geld.«
    »Du hättest mich beim Notar sehen sollen – bei der Notarin vielmehr! Ich habe mich wie eine wahre Erbin aufgeführt, während sie in ernstem Tonfall das schlichte Briefchen vorlas, mit dem Tante Linda, die nach neunundsiebzig Jahren Bleistifte anspitzen, Hefte verkaufen und Schüler trösten gestorben war, mir, ihrer Lieblingsnichte, ihren legendären Papierwarenladen vermacht hat. Ich war die einzige noch lebende Verwandte, und sie hat ihre Hefte in gute Hände gelegt.«
    »Und wie ist aus dem Papierwarenladen Lust&Liebe geworden?«
    »Ich bin in einer einzigen Woche durch mehr Einkaufszentren marschiert als in meinem ganzen Leben zusammen, und je mehr Bücher ich zwischen Bergen von Windeln und Büchsen mit geschälten Tomaten aufgestapelt sah, desto stärker kam ich zu der Überzeugung, dass es einen Ort geben muss, wo sich Leute treffen und in Büchern blättern können, ohne gezwungen zu sein, etwas zu kaufen. Ich habe mich bei meinen Freunden umgehört, habe sie mit Fragen überhäuft und schließlich begriffen, dass ich in eine Buchhandlung gehöre, die mir ähnelt. An einen Ort, der mit Gefühlen zu tun hat.«
    »Auch in dieser Hinsicht hast du dich nicht verändert.«
    »Was die Gefühle angeht?«
    »Du redest wie ein Maschinengewehr und lässt dein Risotto kalt werden.«

    »Ich wollte eine unsterbliche Ware verkaufen: die Liebe.«
    »Unsterblich, mag sein. Aber leicht verderblich.«
    »Weniger leicht verderblich als elektronisches Zubehör, das, kaum aus der Verpackung geholt, schon wieder von einem Modell der neuen Generation abgelöst wird.«
    »Es ist ein wunderschöner Ort, und du bist die perfekte Chefin. Ich wäre schon deshalb geblieben, um die Atmosphäre zu genießen.«
    »Stattdessen bist du abgehauen.«
    »Abgehauen nicht, aber ich war... Ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte.«
    »Hast du noch nie eine Exfreundin wiedergesehen?«
    »Für gewöhnlich gehe ich ihnen aus dem Weg. Meist ist es eine Enttäuschung. Du bist aber nicht einfach irgendeine Exfreundin.«
    »Ex ist immer noch besser als post.«
    »Entschuldigung, mir gefällt die Vorsilbe auch nicht.«
    Wir redeten stundenlang weiter. Unsere studentische Vergangenheit war die reinste »Geschichte Italiens«, dicke Bände, die man in meiner Buchhandlung nie finden würde.
    Was ist aus dem Streber in der ersten Bank geworden?
    Enrico, dein bester Freund? Hat er tatsächlich diese dumme Kuh Teresa geheiratet?
    Ich habe Architektur studiert.
    Ich arbeite beim Renzo Piano Building Workshop. Das Büro ist in Paris, aber zurzeit betreibe ich ein Projekt in New York.
    Ich habe einen siebzehnjährigen Sohn.
    Und ich eine dreizehnjährige Tochter.
    Ich bin geschieden.
    Ich nicht.
    Die Alpträume der Klassenarbeiten haben uns so im Griff, dass
wir ihn nicht bemerken. Mit bittendem Blick und höflicher Bestimmtheit reicht er Federico eine Rechnung. Wir sind die letzten Gäste, es ist Sonntag, und irgendwo wartet sicher eine Frau auf ihn. Federico zieht eine Kreditkarte aus einem schmalen Portemonnaie. Kein Foto, scheint’s. Wir gehen hinaus. Die Straße ist ausgestorben. Mailand riecht nach Frühling und nach Eau Sau vage .
    »Nehmen wir ein Taxi?«
    »Lass uns ein bisschen gehen, wenn es dir recht ist.«
    »Natürlich ist mir das recht.«
    Wir sind bis nach Hause gegangen.
    »Da sind wir. Hier wohne ich.«
    Die Verlegenheit ist mit Händen greifbar. Und auch eine Art Heiterkeit, zumindest was mich betrifft. Vor der Haustür verabschiede ich mich von einem Mann und fühle mich wie eine Debütantin nach dem Ball. Eine Art Aschenputtel mit Schuhen, das sich dem Finale auf Umwegen nähert. Der Prinz begleitet sie und verschwindet in der Nacht. Merkwürdig ist, dass ich ohne jedes Gebräu und ohne exzessive Grübeleien einschlafe.
     
    Ich gehe hinten über den Hof hinein. Die Buchhandlung ist in ein Mietshaus eingelassen und prangt dort wie ein altmodisches Schmuckstück am faltigen Hals einer Dame zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Die philippinische Hausmeisterin,
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