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Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Und ewig währt die Hölle (German Edition)

Titel: Und ewig währt die Hölle (German Edition)
Autoren: Kjetil Try
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seine Waffe, aber er wusste, dass er nicht geschossen hatte.
    «Er ist am Arm getroffen!»
    Parisa lief auf die Hauswand zu, die Pistole im Anschlag.
    Mihajlo Djogo strampelte verzweifelt, zehn Meter über dem Erdboden mit nur einem Arm an der Dachrinne hängend. Der andere Arm hing schlaff herunter. Er machte einen verzweifelten Versuch, sich mit den Füßen von der Hauswand abzustoßen, um die Beine über das Balkongeländer zu bekommen. Da zerriss ein weiterer Knall die Stille, und Djogos unverletzter Arm zuckte. Ein kurzer Schrei, dann ließ er los. Der dunkle Körper drehte sich wie in stummer Zeitlupe halb um sich selbst und fiel. Eine halbe Sekunde später hörte man einen dumpfen Aufprall, als er auf einem schneebedeckten Dreirad landete, das ein Kind auf dem Hof vergessen hatte.
    «Verdammt!», brüllte Lykke. «Welcher Idiot hat da geschossen?!»
    Sie liefen auf die Stelle zu, an der Djogo aufgekommen war.
    Er lag auf dem Rücken, unnatürlich verkrümmt und das Gesicht himmelwärts gewandt. Etwas, das an ein Rentiergeweih erinnerte, hatte sich durch seine Bauchdecke gebohrt. Es dauerte ein paar Sekunden, bis Lykke begriff, dass es der Lenker des Dreirads war. Viker wischte sich mit dem Handrücken die Nase ab.
    «Das nenne ich einen rasanten Abstieg …»
    Parisa legte zwei Finger an Djogos Hals.
    «Er lebt.»
    «Einen Rettungswagen!»
    Rolf Lykke hatte das Telefon in der Hand.
    «Schon unterwegs», sagte der Beamte der Revierwache Manglerud, beugte sich vor und griff nach dem Vorderreifen des Dreirads.
    «Nichts anfassen. Solange er Luft kriegt …»
    Lykke bemerkte, dass aus Mihajlo Djogos linkem Ohr Blut lief.
    Sein Körper reagierte noch vor dem Gehirn, das Aufheulen eines Motors brachte ihn blitzschnell auf die Beine. Er warf den Kopf herum, in dem hilflosen Versuch, das Geräusch zu orten.
    «Da!», rief Parisa.
    Ein Auto ohne Licht raste vom Vorplatz auf den Feltspatveien.
    «Audi», sagte Lasse Viker. «Jede Wette.»
    «Fahndung nach einem silbergrauen Audi A6!» Lykke drehte sich zu Viker um. «Sechsundneunziger Baujahr?»
    «Achtundneunziger», sagte Viker.
    Eriksen hatte das Handy schon am Ohr.
    Lykke betrachtete das Einschussloch in Djogos rechter Hand. Er bückte sich, zog vorsichtig am Mantel und musterte die linke Hand. Einschuss an genau der gleichen Stelle.
    «Fadil», murmelte er. «Das kann nur er gewesen sein. Er hat uns die ganze Zeit verfolgt.»
    Aus dem unförmigen Bündel am Boden drang ein hohles Stöhnen. Dann ein Winseln und ein grauenvolles Röcheln. Der Elitesoldat. Ratko Mladics ergebener Diener.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 86
    Polizeidirektorin Anne Breiby fingerte nervös an einem Brieföffner.
    «Schönen Gruß übrigens von der Polizeipräsidentin», sagte sie und entblößte eine Reihe blendend weißer Zähne. «Sie ist sehr zufrieden mit Ihrer Leistung.»
    Lykke rutschte auf dem weichen Besucherstuhl hin und her. «Diesmal hatte ich mehr Glück als Verstand.»
    «Ach ja?»
    «Ich habe diese blöde Bemerkung gemacht und damit zwei Menschenleben aufs Spiel gesetzt.»
    «Aber doch nicht mit Absicht.»
    Lykke blickte ihr in die Augen.
    «Was ist schlimmer: Vorsatz oder Dummheit?»
    Breiby zuckte die Schultern in ihrer tadellos gebügelten Uniformbluse.
    «Jetzt sind Sie zu streng mit sich, Rolf.»
    «Das habe ich wohl auch nicht anders verdient.»
    Breiby lächelte.
    «Schauen Sie mal, was ich hier habe.» Sie zog die Schreibtischschublade auf und holte eine kleine Schachtel heraus. «Belgische Schokolade. Bitte, greifen Sie zu!»
    «Danke.» Lykke nahm pflichtschuldig ein kleines, silbern eingewickeltes Stück heraus. «Wird er seine Strafe in Norwegen absitzen?»
    Anne Breiby stand auf und zog einen Ordner aus dem Regal neben dem Fenster.
    «Falls er überlebt, und das wollen wir doch trotz allem hoffen, gehe ich davon aus, dass er viele Jahre in einem norwegischen Gefängnis verbringen wird. Oder in einem Krankenhaus», fügte sie hinzu. «Und ich weiß nicht, was schlimmer ist.»
    «Viele Jahre? Der müsste den Rest seines Lebens hinter Gittern sitzen.»
    «Wir hatten jetzt drei oder vier Fälle mit Kriegsverbrechern vom Balkan, ich glaube, die sind alle ziemlich billig davongekommen.»
    «Warum?»
    «Was vor mehr als fünfzehn Jahren geschehen ist, lässt sich schwer beweisen.» Breiby beugte sich vor. «Erinnern Sie sich an die Sache mit der Ärztin, die vor einigen Jahren in Oslo einen Kriegsverbrecher auf der Straße wiedererkannte? Er war Chef eines
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