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und der tote Richter

und der tote Richter

Titel: und der tote Richter
Autoren: M. C. Beaton
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hinaus in die milde Nacht. Der Wind hatte sich gelegt, und die Luft roch bereits nach dem nahenden Sommer. Mr. Cummings-Browne fuhr seinen Range Rover gemächlich durch die Alleen nach Carsely zurück. Ein Fuchs schnürte im Scheinwerferlicht über die Straße, Kaninchen huschten in Sicherheit, und in den Hecken blühte es. Agatha fühlte sich einsam. Es war ein Abend, an dem man unter Freunden sein sollte, in netter Gesellschaft; keiner, den man mit Leuten wie den Cummings-Brownes verbrachte. Mr. Cummings-Brownes hielt vor seiner Haustür an und sagte: »Finden Sie den Weg von hier?«
    »Nein«, antwortete Agatha verärgert. »Sie könnten mich wenigstens bis nach Hause fahren.«
    »Beine sind zum Laufen da«, raunte er, seufzte gedehnt, fuhr sie aber dennoch zu ihrem Cottage.
    Ich muss in Zukunft daran denken, ein Licht anzulassen, ging es Agatha beim Anblick ihres stockdunklen Hauses durch den Kopf. Ein Licht wäre schön, wenn sie abends heimkam. Bevor sie aus dem Wagen stieg, fragte sie ihn, wie genau sie sich für den Wettbewerb anmelden musste, und nachdem er es ihr erklärt hatte, stieg sie ohne einen Gutenachtgruß aus und ging in ihr verlassenes Cottage.
    Am nächsten Tag trug sie ihren Namen wie besprochen in das Quiche-Wettbewerbsbuch in der Schulaula ein. Aus irgendeinem Klassenraum klang Kindergesang: »To my hey down-down, to my ho down-down.« Sie sangen also immer noch Among the Leaves So Green-O , dachte Agatha und blickte sich in der verlassenen Aula um. Tische waren an eine Wand gerückt, und ganz vorn gab es ein Podium. Kaum der richtige Rahmen für die Umsetzung ehrgeiziger Ziele.
    Dann ging sie hinaus zu ihrem Wagen und fuhr nach London. Diesmal nahm sie nicht den Zug, sosehr es ihr auch vor den gefährlichen Autobahnen graute. Sie parkte in World’s End in Chelsea, wo sie einmal für kurze Zeit gewohnt hatte. Heute war sie froh, dass sie ihren Anwohnerparkausweis nie zurückgegeben hatte.
    Kurz zuvor war ein Regenschauer heruntergekommen, und London roch wunderbar nach nassem Beton, Autoabgasen, Müll, heißem Kaffee, Obst und Fisch. Alles Gerüche, die für Agatha Heimat bedeuteten.
    Als Erstes machte sie sich auf den Weg zur Quicherie, einem Feinkosthändler, der sich auf Quiches spezialisiert hatte. Dort kaufte sie eine große Spinat-Quiche, verstaute sie im Kofferraum ihres Wagens und lud sich anschließend zum Mittagessen ins Caprice ein, wo sie die berühmten Lachspasteten aß und sich unter »ihren« Leuten, den Reichen und Schönen, entspannte. Derweil kam ihr nicht eine Sekunde der Gedanke, dass sie keinen dieser Menschen kannte. Nach dem Essen begab sie sich zu Fenwick’s in die Bond Street, um ein neues Kleid zu kaufen, nicht mit Blümchendruck (Gott bewahre!), sondern ein elegantes, scharlachrotes Wollkleid mit weißem Kragen.
    Dann ging es im frühen Abendlicht zurück nach Carsely und in die Küche. Dort holte sie die Quiche aus der Verpackung, steckte ihr selbstgemachtes Schildchen »Spinat-Quiche, Mrs. Raisin« hinein und wickelte alles betont amateurhaft in Klarsichtfolie. Zufrieden begutachtete sie ihr Werk. Diese Quiche würde fraglos die beste sein. Die Quicherie war berühmt für ihre Quiches.
    Am Freitagabend brachte sie ihre Quiche in die Schule, wo sie sich vor der Aula in eine Schlange von Frauen mit Blumengestecken, Marmelade, Kuchen, Quiches und Keksen einreihen musste. Die Teilnehmerinnen hatten ihre Beiträge bereits am Abend vor dem Wettbewerb abzuliefern. Wie immer grüßten sie einige mit »N’ Abend. Wenigstens ist es ein bisschen wärmer geworden. Vielleicht kommt noch die Sonne raus«. Ein Glück, dass diese Menschen nichts Ernstes wie Wirbelstürme oder Erdbeben zu erwarten hatten (so hoffte Agatha jedenfalls), bei dem Gewese, das sie schon um Wolken und Regen machten! Eventuell täte ihnen ein handfester Tornado auch mal ganz gut und würde ihnen diese Unsitte austreiben, sich laufend über das wahrhaft gemäßigte Klima der Cotswolds zu beklagen.
    Beim Zubettgehen an diesem Abend stellte Agatha fest, dass sie ziemlich nervös und aufgeregt wegen des kommenden Tages war. Lächerlich! Schließlich ging es nur um einen Dorfwettbewerb.
    Der nächste Tag brach stürmisch und kalt heran. Der Wind wehte die letzten Kirschblüten von den Bäumen, als die Dorfbewohner zur Schule strömten. Ein verblüffend gutes Dorforchester spielte eine Melodienauswahl aus My Fair Lady . Die Musiker waren zwischen acht und achtzig Jahre alt. Es duftete nach den Blumengestecken
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