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und der Hongkong-Buddha

und der Hongkong-Buddha

Titel: und der Hongkong-Buddha
Autoren: Dorothy Gilman
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wird?«
Wie eine Ertrinkende nach dem berüchtigten Strohhalm, griff sie nach der Möglichkeit, ihn zu trösten, ihm Mut zuzusprechen; nicht so sehr aus Überzeugung, vielmehr um sich selbst von ihrer eigenen Verzweiflung abzulenken.
    Sie beugte sich zu ihm und legte beruhigend die gefesselten Hände auf seinen Arm. »Sehen Sie...«, begann sie und stockte. »Sehen Sie«, setzte sie erneut an und versuchte, ihrer Stimme Festigkeit und Überzeugungskraft zu verleihen, »irgendwie ist doch alles ungewiß... Und genau besehen, müssen wir damit jeden Tag aufs neue fertig werden...«
    Ihre eigenen Worte schienen aus großer Entfernung an ihr Ohr zudringen; sie klangen hohl und dumpf, als säße sie in einer Höhle, tief unterm Berg, oder in einem feuchten, dunklen Verlies. Tief in ihrem Innern fühlte sie die drückende Last ihrer eigenen Niederlage und ein deprimierendes Gefühl der Hoffnungslosigkeit, das sich - wie sie sehr wohl wußte - aus vielen Faktoren zusammensetzte: die Reaktion ihres geschundenen Körpers, der Schock des Erlebten, Hunger und eine abgrundtiefe Müdigkeit sowie das Entsetzen über Detwilers Tod. Das Schlimmste jedoch war die Tatsache, daß das Funksignal ungehört geblieben war. Es gab nichts mehr, das sie tun konnte. Und das Wissen darum beraubte sie ihrer Fähigkeit, klar zu denken.
    ›Irgend etwas hat in meinem Kopf ausgesetzt‹, dachte sie vage und stellte zugleich fest, daß ihr dies gänzlich gleichgültig war. Sollten dies Symptome einer geistigen Verwirrung, des sich ankündigenden Wahnsinns sein, so versprachen sie zumindest den Trost, die grausame Wirklichkeit nicht bei vollem Bewußtsein erleben zu müssen. Carl lenkte den VW-Bus auf den Parkplatz vor dem Gipfelturm. Stotternd erstarb das Motorengeräusch. Wie Mrs. Pollifax feststellte, standen bereits mehrere Wagen auf dem Parkplatz, deren Insassen inzwischen vermutlich alle Geiseln der Terroristen waren. Weit und breit war niemand zu sehen; lediglich ein einsamer Gärtner, ein junger Chinese, war unweit des Turms damit beschäftigt, Rosenbüsche zu stutzen. Sie hörte, wie die Terroristen im Fond des Wagens die Waffen aufnahmen.
    »Raus jetzt«, zischte sie jemand an, und als sie den Blick hob, erkannte sie Carl, der dicht vor ihr stand und eine Pistole auf sie und Alec richtete. Um die Schulter hatte er eine Maschinenpistole geschlungen, und an seinem Gü rtel baumelten einige Handgranaten.
    Mühsam stemmte sie sich aus dem Sitz und taumelte, gefolgt von Alec, aus dem Bus. Der nächste Akt dieses Alptraums hatte begonnen, und Mrs. Pollifax strebte, verbissen einen Fuß vor den anderen setzend, auf den Eingang des Turms zu. Hinter ihr hörte sie die Stimmen der Männer, die aufgekratzt durcheinanderredeten. Eine abrupte Bewegung links von ihr ließ Mrs. Pollifax zusammenschrecken, und mechanisch hob sie den Blick. Es war jedoch nur der Gärtner, der, einen halbgefüllten Sack hinter sich herschleifend, auf einen anderen Rosenstock zustrebte. › Du Narr!‹ wollte sie ihm zurufen. › Siehst du nicht, daß sie ganz Hongkong zu ihrer Geisel machen wollen?!‹ Doch sie besann sich eines Besseren und schwieg. So war nun einmal die Welt: Es würde immer einen Gärtner geben, der blind und ungerührt seine Rosen schnitt, während die Welt auf den Abgrund zutrieb.
    ›Es sei denn... Merkwürdige dachte sie, › wie sehr der Gärtner Sheng Ti ähnlich sieht! Nun sehe ich schon Gespenster‹, stellte sie schicksalsergeben fest. › Sheng Ti ist ganz bestimmt kein Gärtner und sitzt jetzt sicherlich völlig verängstigt im Laden in der Dragon Alley...‹ Verstört durch die Streiche, die ihr ihr verwirrter Geist spielte, sah sie schnell zur Seite, ehe der Gärtner die Gestalt von Robin oder Cyrus annehmen konnte.
    Sie betraten das Foyer des Gipfelturms, eine nüchterne, riesige Halle ganz aus Beton; kalt und deprimierend, wie alles an diesem Tag. › Die ihr hier eintretet, laßt alle Hoffnung fahren ‹, dachte Mrs. Pollifax düster und fühlte den Lauf einer Waffe in ihrem Rücken, der sie nach rechts dirigierte. Sie heftete ihren Blick auf die Reihe der Aufzüge und steuerte darauf zu. Ein Mann stand vor den Aufzügen und wartete offenbar darauf, nach oben zu fahren. Es überraschte sie nicht im geringsten, daß der Mann Cyrus täuschend ähnlich sah. Offenbar war es eines der ersten Symptome des Wahnsinns, die Welt mit bekannten Gesichtern zu bevölkern.
    Der Mann, der wie Cyrus aussah, blickte ihnen interessiert entgegen, wobei sein
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