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und der Hongkong-Buddha

und der Hongkong-Buddha

Titel: und der Hongkong-Buddha
Autoren: Dorothy Gilman
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sich direkt an eines der Fenster ohne Vorhänge und versuchte, mit dem Rücken nicht gegen die Lehne zu stoßen. Wo nur der Funkortungswagen blieb?
    Neben ihr sagte Alec: »Die Sonne... Ich habe nicht mehr geglaubt, daß ich sie wiedersehen würde.«
    »Ja«, sagte sie geistesabwesend und erinnerte sich, daß er bereits drei Tage in der Hand der Terroristen war. Vorsichtig warf sie einen Blick auf ihre Uhr. Es war sechs Uhr fünfundfünfzig.
    Etwa dreiundzwanzig Minuten waren vergangen, seit Detwiler erschossen und das Signal unterbrochen wurde.
›Die drei Minuten müssen doch gereicht haben?‹ dachte sie.
Und plötzlich versetzte sie ein Gedanke in Panik: Was, wenn die Männer im Funkortungswagen schon zuvor aufgegeben hatten? Oder wenn sie um halb sieben für zehn Minuten eine Frühstückspause gemacht hatten?! Detwiler hatte sein Leben für diese zweieinhalb Minuten gegeben! Sie überlegte fieberhaft, ob sie die Sekunden richtig gezählt hatte, ob Marko mit den zweieinhalb Minuten recht gehabt hatte, ob inzwischen technisch verbesserte Funkgeräte entwickelt worden waren, die man nicht mehr orten konnte...
Die Zweifel nagten an ihren letzten, wegen des anstrengenden Abstiegs über die enge Treppe ohnehin über Gebühr beanspruchten Kräften. Mit Schrecken fühlte sie, wie das letzte Quentchen Energie in ihr schwand.
Jetzt stiegen die anderen in den Bus. Mrs. Pollifax zählte insgesamt sechs Männer. Carl setzte sich ans Steuer, und die übrigen verschwanden im hinteren Teil des Busses. Der Wagen setzte rückwärts aus dem Gäßchen und fuhr dann langsam eine der gewundenen Altstadtstraßen hinab. Mrs. Pollifax' Blick wanderte suchend über das Gewimmel der Menschen, die unterwegs zur Arbeit waren, über die zahllosen Handkarren, die bis obenhin mit Lasten beladen waren, und blieb für ein paar Sekunden an zwei alten Männern hängen, die unter einer Markise, wie zwei Inseln im Strom, mitten auf dem Gehsteig saßen und Mah Jong spielten. Der Freitagmorgen hatte unwiderruflich begonnen.
Doch nirgendwo auf der Straße konnte sie einen Lieferwagen entdecken oder ein Fahrzeug, das einem Funkortungswagen ähnlich sah.
Irgend etwas war schiefgelaufen - gründlich schiefgelaufen.
    Sie fühlte, wie die Last dieser Erkenntnis ihre Widerstandskraft zerbrach. Ihre letzten Kraftreserven hatte sie bereits mobilisiert, und nun - als sich ihre letzte Hoffnung in Nichts auflöste, forderte ihr Körper den Preis für das, was er erduldet hatte. Sie fühlte den fast unwiderstehlichen Wunsch, ihren Tränen freien Lauf zu lassen.
    Über die Schulter hörte sie das Quaken eines Funkgeräts und die Stimme Eric des Roten. Einige Satzfetzen verstand sie:
»Kaffeehaus, dritter Stock« und »bringt sie nach oben« und dann: »noch ungefähr acht Minuten«. Sie begriff, daß eine Vorhut der Terroristen den Gipfelturm bereits eingenommen und Geiseln in ihre Gewalt gebracht haben mußte. Nun bestand keinerlei Hoffnung mehr... Es war zu spät - zu spät... Sie schloß die Augen, um die gleichgültige Welt dort draußen nicht mehr wahrnehmen zu müssen und dachte an zu Hause, an Neuengland, an Mr. Lupalak, und daran, ob er das Rundfenster nun leicht asymmetrisch angebracht hatte oder nicht.
Als sie die Augen wieder öffnete, waren sie bereits auf der Peak Road, die zum Gipfel hinauf führte; ein unauffälliger, ziemlich abgetakelter VW-Bus, aus dessen Fenster eine Frau sah, mit Fahrrädern am Heck und Gepäck auf dem Dachständer.
Doch das Reisegepäck bestand unter anderem aus einem Raketenwerfer... Ihr Blick wanderte über den Hafen, der bereits weit unter ihnen lag, und sie fragte sich, was Robin und Marko wohl im Augenblick machten. ›Schlafen, natürlich‹, dachte sie, denn schließlich war es erst kurz vor sieben. Wie ein Schock überfiel sie das Gefühl, gänzlich verlassen und einsam zu sein.
Über den Wipfeln der Bäume war bereits der Gipfelturm zu erkennen, und die runde Fassade des Restaurants im obersten Stock erinnerte sie mehr denn je an eine Raumkapsel. Das Funkgerät war verstummt, und Mrs. Pollifax konnte fast körperlich fühlen, wie die Spannung in dem engen Bus wuchs.
Auch sie fühlte, wie Unruhe sie ergriff, denn sobald sie den Gipfel erreicht haben würden, würde sie wieder gehen müssen und sie hatte nicht vergessen, wie wenig diesen Leuten ein Menschenleben wert war.
»Ich kann das alles bald nicht mehr ertragen«, stöhnte Alec neben ihr leise. »Hört denn das nie auf?! Diese Ungewißheit wie das alles enden
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