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... und dann bist du tot

... und dann bist du tot

Titel: ... und dann bist du tot
Autoren: Hilary Norman
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später zurückrufen?«
    »Du bist doch nie da. Bist du nachher da?« Sie klemmte den Hörer unters Kinn, schlüpfte in den rosaroten Ballettrock und zog ihre Wadenstrümpfe an.
    »Wahrscheinlich nicht.«
    Lally lächelte wieder. »Okay. Ich gebe dir einen Kurzbericht. Mir geht es gut, und ich bin glücklich. Hugo war erkältet, aber nun ist er wieder gesund. Das Dach muss vom Schnee befreit werden, der Weg muss gefegt und noch einmal gestreut werden, aber sonst ist mit dem Haus alles in Ordnung.« Die Siamkatze kam zu ihr und rieb sich an ihren Knöcheln. »Nijinskij schickt dir liebe Grüße. Sie ist großartig.« Lally griff nach ihren Spitzenschuhen. »Einer meiner Schülerinnen geht es nicht so großartig, und ich mache mir Sorgen, aber alles andere ist wunderbar, und ich liebe dich und vermisse dich, und ich wünschte, dass ihr alle zurückkommen und wieder hier leben würdet.«
    Joe grinste. »Ich vermisse dich auch, Lally, und ich soll dich von allen grüßen. Sal hat noch heute Morgen von dir gesprochen. Sie sagte, dass du sie eines Tages nach dem Aufwachen auf deiner Schwelle finden wirst, wenn du sie nicht bald einmal zu dir nimmst.«
    »Sag ihr, dass sie jederzeit willkommen ist.«
    »Ich liebe dich, Schwesterherz.«
    »Joe?«
    »Ja?«
    »Pass auf dich auf!«
    »Du auch.«
    Lally hatte immer gespürt, dass die Natur in den Berkshires in einem fast perfekten Gleichgewicht stand. Keiner der Berge oder der Täler oder Seen war zu groß oder einschüchternd. Es war eine wunderbare Mischung, ein fast perfektes, harmonisches Zusammenspiel von natürlichen und von Menschenhand geschaffenen Elementen, den Dörfern, den kleinen Städten und Landstraßen, den großen und kleinen Farmen, hübschen Kirchen und alten Friedhöfen aus der Kolonialzeit. Es gab die Jahreszeiten: den neu erwachenden Frühling, den prächtig blühenden, unvergesslichen Sommer, den glühenden, herrlichen Herbst und einen strengen Winter. Besucher kamen von nah und fern in die Region. Sie wurden von der Schönheit und den kulturellen Möglichkeiten angezogen, denn die Berkshires waren berühmt für ihre sommerlichen Tanz-, Theater- und Musikfestivals. Aber in den Augen von Lally Duval, die so tief in West-Massachusetts verwurzelt war, barg dieses Fleckchen Erde eine Zuverlässigkeit, ein Gefühl von Beständigkeit und Verbundenheit, was mit diesen Dingen wenig zu tun hatte.
    Ihre Mutter, Ellen Carpenter Duval, war in Lee — nur ein paar Meilen entfernt - in einer Familie, die dort seit fünf Generationen lebte, geboren und aufgewachsen. Auch Jean-Pierre Duval, von französisch-kanadischer Abstammung, lebte schon in der zweiten Generation in West Stockbridge. Es musste im Laufe der Jahrzehnte zumindest einen weiteren Duval gegeben haben, den das Reisefieber packte, aber Joe war der Einzige, der je fortgegangen war, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
    »Bist du sicher, dass du in der Stadt bleiben willst?«, hatte er Lally gefragt, als sie wenige Monate nach dem Tod ihrer
    Eltern ein neues Zuhause gefunden hatte. Es war ein weißes, mit Schindeln gedecktes Haus mit blauen Fensterläden, einer Veranda und einem Wintergarten samt Erkerfenster und Blick auf die fernen Berkshire Berge. Es stand an der Lenox Road, nicht mehr als eine Meile von ihrem Elternhaus in der Main Street entfernt.
    »Natürlich bin ich sicher«, hatte Lally beteuert. »Es ist mein Zuhause, und ich liebe es nicht nur aufgrund der Vergangenheit, sondern aufgrund der Gegenwart und der Zukunft. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben.«
    Eigentlich hatte sie nicht den Wunsch verspürt, viel an ihrem Leben zu ändern, und das war auch nicht der Grund, warum sie ihr Elternhaus verkauft hatte. Sie war immer unabhängig gewesen, und Jean-Pierre und Ellen hatten das Bedürfnis ihrer Tochter nach Eigenständigkeit und Freiraum respektiert. Lally wünschte sich ein Haus mit einem kleinen Grundstück, das sie nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten und in dem sie sich richtig entfalten konnte. Außerdem braucht eine Tänzerin Platz und das Vertrauen, dass das Poltern ihrer Entrechats und das Widerhallen ihrer geliebten Musik nicht die Nachbarn stört, besonders wenn sie das Bedürfnis zu tanzen mitten in der Nacht überkam, was sehr oft geschah.
    Lally wusste schon im Alter von vierzehn Jahren, dass sie niemals eine große Ballerina werden würde. Erstens war sie zu groß, und zweitens war der Tanz nicht alles für sie. Zwar freute sie
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