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... und dann bist du tot

... und dann bist du tot

Titel: ... und dann bist du tot
Autoren: Hilary Norman
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könnte auch den Webbers einen Besuch abstatten.«
    »Lally, das kannst du nicht machen. Du kannst doch nicht einfach in ihr Haus eindringen und über ein so heikles Thema sprechen.«
    »Ich weiß, dass ich das nicht kann«, sagte sie unglücklich.
    »Also? Willst du es in der Schule versuchen?«
    »Vielleicht.« Lally hörte Stimmen am anderen Ende der Leitung. »Besuch?«
    »Ich habe im Moment ziemlich viel zu tun.«
    »Gut, dann mach weiter.«
    »Versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tust.«
    »Mach dir keine Sorgen.«
    »Versprich es mir.«
    »Okay, okay, ich verspreche es dir.«
    Der Schwindel überfiel Lally völlig überraschend, ungefähr fünf Sekunden, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Sie griff nach der Kante des Kieferntisches, um nicht zu fallen, stand ganz still, beugte sich, nachdem es vorbei war, einen kurzen Moment nach vorn und richtete sich dann langsam wieder auf.
    »Was war das denn?«, fragte sie die Katze.
    Nijinskij gab einen ihrer schwachen, leisen, piepsenden
    Laute von sich und rieb sich dann wieder an Lallys Knöcheln.
    »Du hast Recht«, sagte Lally. »Es war nichts.«
    Sie machte sich keine großen Sorgen. Vielleicht hatte sie mittags nur zu wenig gegessen. Im Winter brauchte sie zusätzliche Kalorien, besonders wenn sie Unterricht gab. Vielleicht setzte diesmal ihre Periode etwas früher ein ...
    Daher vergaß sie den Zwischenfall schnell und wandte ihre Gedanken wieder Katy Webber zu. Wenn sie auch keine Ahnung hatte, wer das Mädchen schlug, so war sie jetzt sicher, dass es jemand tat. Sie wusste noch nicht, was sie unternehmen sollte, und sie wusste auch nicht, wie sie am geschicktesten vorgehen könnte, ohne Gefahr zu laufen, Katys Lage zu verschlimmern.
    Sie wusste nur, dass sie etwas unternehmen musste.

2. Kapitel
    Dienstag, 5. Januar
    D er Mann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und fragte sich, ob es schon begonnen hatte. Draußen herrschte tiefe Dunkelheit, wenn man von den Lichtern der Stadt absah. Schneeflocken wirbelten an den Doppelfenstern des verschlossenen Raumes vorbei. Die gefilterte Luft dort drinnen war warm und hatte genau die richtige Luftfeuchtigkeit, nicht zu trocken und nicht zu feucht. Die Beleuchtung wurde elektronisch gesteuert, und in dem Raum herrschte ein Halbdunkel wie kurz vor der Dämmerung.
    Außerhalb dieses Raumes führte der Mann ein ausgefülltes, aktives Leben, doch es gab keinen anderen Platz auf der Welt, an dem er sich so wohl fühlte. Täglich traf er ein Dutzend Menschen, doch die einzigen Freunde, denen er traute, lebten hier innerhalb dieser Mauern. Er vertraute ihnen und sorgte für all ihre Bedürfnisse und ihr Wohlbefinden. Ihnen konnte er trauen, da er ihr ganzes Leben kontrollierte. Schon immer hatte er Macht als starke Befriedigung empfunden, und er wusste nun, dass sich die absolute Macht, die er geschaffen hatte, außerhalb des Raumes und vielleicht sogar noch weiter ausdehnte, als er sich vorzustellen wagte, aber niemand sonst wusste das bisher. Doch sie würden es recht bald erfahren.
    »Mutter wäre so stolz«, sagte er zu seinen Freunden.
    Er erzählte ihnen oft von seiner Mutter. Vor langer Zeit hatte er sie verloren und jahrzehntelang unaufhörlich, geduldig gewartet, um diejenigen zu bestrafen, denen er für diesen Verlust die Schuld gab.
    »Sie brachte mir viele Dinge bei«, sagte er leise zu ihnen. »Aber es gab drei Lebensregeln, die wichtiger waren als alles andere. Mutters Lebensregeln. Identität - zu wissen und niemals zu vergessen, wer ich bin und wo ich herkomme. Selbstbeherrschung ...«
    Das war seine Litanei, die er täglich wiederholte -manchmal laut und oft im Geiste. Selbstbeherrschung bedeutete Ablehnung und Leiden, mitunter sogar Demütigung, doch ohne sie war man verloren.
    »Und die dritte Regel.« Er schaute seine Freunde nachsichtig an. »Niemals vergessen, dass es Drachen gibt.«
    Das hatten sie alle schon oft gehört, aber sie machten nie den Eindruck, als würde er sie langweilen, und letztendlich hätten sie sich nicht beklagen können, wenn es so gewesen wäre. Der Mann erzählte ihnen oft von Drachen, manchmal stundenlang. Sie seien dort draußen, sagte er, außerhalb des Raumes, in der Stadt, im Land und in der ganzen Welt.
    »Mutter erzählte mir, dass sie in jungen Jahren einmal die Selbstbeherrschung verloren habe. Die Drachen aber seien dort draußen und warteten nur darauf, sich auf die Menschen zu stürzen. Sie nehmen viele Formen an, doch sie sind immer dort draußen und
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