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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann
Autoren: Minka Pradelski
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ihren brandroten Kindern teure Unterwäsche und feine Kleider anfertigen lassen. Jedes Kind bekam vom Schuster ein paar neue Schuhe mit fester, biegsamer Ledersohle. Laje Dresel als Älteste sogar ein paar elegante Riemchenschuhe mit kleinem Absatz. Mittags und abends standen auf dem einzigen Tisch, den die Teitelbaums hatten, Berge von gutem Essen, und die Reste des täglichen Festessens wurden von den rothaarigen Teitelbaum-Söhnen zur bettelarmen Nachbarschaft gebracht.
    Aber es hat noch einen anderen Grund gegeben, warum am Ende der ganze Boykott zusammengebrochen ist. Das Erstaunliche daran ist, dass sogar Romek Ziegler, wenn auch erst ganz am Ende, daran beteiligt war. Man darf es nicht laut sagen, aber ein jeder hatte so seinen Schlesier. Von den Stahlhändlern und Industriellen, die fest vorhatten, sich an den Boykott zu halten, und ihre Waren in der Tschechoslowakei einkauften, hatte jeder über Jahre hinweg Geschäfte mit seinem Schlesier getätigt. Dem hat er vertraut und mit ihm die Geschäfte ohne Vertrag und auf ein Ehrenwort gemacht. Dem hat er einwandfreie Waren abgekauft, und der hat bei Beanstandung, was sehr selten vorkam, die Ware ohne Murren zurückgenommen und prompt einwandfreie Ware nachgeliefert. Über das Geschäft hinaus ist dann eine Freundschaft entstanden. Die Kinder des Schlesiers wurden in den Ferien nach Bendzin eingeladen, so dass auch die Kinder untereinander befreundet waren.
    Und so hatte jeder seinen Schlesier, von dem er geschworen hat, dass der bestimmt kein Nazi sei und auch in hundert Jahren kein Nazi werden könnte. Jeder hat von seinem aufrechten Schlesier nach einer gewissen Zeit wieder Waren gekauft, aber nur von ihm und keinem anderen. Der große Fürstenberg hat einen gehabt, und auch die kleinen Händler wie die Süßmanns und die Frenkels haben jeder für sich einen eigenen Schlesier gehabt.
    Und das muss man sagen, auch Romek Ziegler hatte einen Schlesier, und das war eben dieser Matussek, mit dem er wegen der langjährigen Geschäfte sehr befreundet war. Der Matussek, seine Frau und die Kinder Max und Erna sind oft zu Fettauge ins Haus gekommen. Im kommenden Jahr war geplant, weil die Kinder schon größer waren, Erna und Mäxchen in das Sommerhaus auf den Beskiden einzuladen, wohin man fuhr, um die schattigen Wälder zu genießen.
    Nachdem die Teitelbaums den Boykott unterlaufen hatten und jeder erst heimlich und dann wieder wie gewohnt die Waren bei seinem Schlesier kaufte, hat auch Romek Ziegler, als Letzter, nach einer langen Zeit beim Matussek wieder eine Bestellung aufgegeben und dann noch eine und schließlich wieder ganz viele. Der Matussek, der war ein Ehrenmann, pünktlich, genau und zuverlässig, für den waren die Nazis ganz primitive Kerle, dafür konnte Romek seine Hand ins Feuer legen, aber den anderen Schlesiern war wirklich nicht zu trauen.
    Es war so, dass Romek Fürstenbergs Schlesier im Verdacht hatte, dass der ein ganz wilder Nazi sei, weil er ihn mal in Gesellschaft von Braunhemden gesehen hatte. Der Fürstenberg wiederum hatte den Matussek im Verdacht, ein Parteimitglied zu sein und sogar ein sehr hohes Braunhemd als Schwager zu haben, und so hätte es bei dem Schlesier vom Frenkel sein können oder bei dem vom Prawer.
    Was noch erstaunlicher war, dass auch bei den Schlesiern jeder so seinen Juden hatte, mit dem er gehandelt und dem er weiter Waren verkauft hat. Und der Matussek sagte, dass Romek Ziegler ganz anders sei als die Juden, von denen der Hitler rede. Der sei zuverlässig, pünktlich und genau, kurz ein Ehrenmann nach deutschem Zuschnitt, für den könne er die Hand ins Feuer legen, nur, er hat das gedacht, aber nicht gesagt, noch nicht mal ganz leise, denn man wusste ja nicht, was die Zeiten noch bringen würden.
    Weil nun jeder seinen Schlesier hatte, dauerte es nicht lange, bis die Teitelbaum-Brüder wieder arm wurden. So schnell war es mit dem Reichtum wieder vorbei, dass den Teitelbaum-Frauen noch nicht mal Zeit blieb, sich von Rywka Scheina neue Kleider nähen zu lassen, weil sie erst die Kinder hatten einkleiden lassen. Da musste man wieder auf Kredit bei dem Lebensmittelhändler Potok einkaufen und sich jeden Monat die Rechnung stunden lassen. Die beiden Brüder haben wieder mit gespitzten Ohren auf der Straße gestanden, und es hat so ausgesehen, als wäre alles so wie früher.
    Max und Erna sind im darauffolgenden Sommer doch nicht ins Sommerhaus gekommen, weil der Max die Masern kriegte und die Erna sich bei ihm ansteckte.
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