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Und da kam Frau Kugelmann

Und da kam Frau Kugelmann

Titel: Und da kam Frau Kugelmann
Autoren: Minka Pradelski
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bestellen und alles, was vor Ort für die Produktion notwendig war. Die in Schlesien eingekauften Maschinen und Werkzeuge wollte der Romek Ziegler nun selbst herstellen, sogar die Ersatzteile wollte er selbst produzieren, für den Fall, dass ein Rädchen fehlte. Und alle waren eifrig dabei zu überlegen, wie man sich unabhängig machen könnte von den guten schlesischen Produkten. Der Vater hat deswegen eine eigene Fabrik bauen wollen und ist sehr geschäftig geworden, andauernd sind Leute gekommen, um mit ihm zu debattieren, auch Bluma besuchte ihn und sicherte ihm die Unterstützung ihrer Frauenorganisation zu.
    Fettauge hat sich dann nach einiger Zeit gar nicht mehr dafür interessiert, was in dem großen Wohnzimmer so alles passierte. Eines wollte er nur wissen, nämlich ob die Matusseks ab jetzt keine Freunde der Familie mehr seien, weil der Matussek doch ein schlesischer Händler von drüben war, und ob denn das Versprechen noch gelte, dass er zusammen mit den Matussek-Kindern, mit Mäxchen und Erna, in den Ferien ins Riesengebirge fahren könnte, weil da wollte er so gerne hin, wegen Rübezahl und den Siebenmeilenstiefeln. Wie war das mit den Matusseks, ob man jetzt auch nicht mehr mit denen spreche? Der Vater hatte keine Zeit, solche Fragen zu beantworten, der Sohn sehe doch, man kaufe nicht mehr bei schlesischen Händlern, und wegen dem Matussek täte ihm das schon sehr Leid, das sei, das wisse er doch, ein guter Geschäftsfreund. Aber mit dem Geschäft sei es jetzt aus und vorbei, und ob die Freundschaft anhalte, das könne niemand voraussehen.
    Der Vater hat weiter Listen angefertigt, was man für eine richtige kleine Stahlgießerei so alles brauchte, man wollte jetzt Messing und Kupfer selbst herstellen. Er hatte sogar meinen Vater aus Zawiercie und Chemiker aus anderen Städten an einem Samstag zu sich gebeten, um mit den Herren zu besprechen, was sie an Rohstoffen für ihre Fabriken benötigten, er könnte alles für sie in der Tschechoslowakei bestellen und setze zum großen Sprung an, den Boykott auf andere Wirtschaftszweige auszuweiten.
    Der große Industrielle Fürstenberg schloss sich dem Boykott der Waren an, wollte sich aber nicht an der neuen Fabrik von Fettauges Vater beteiligen, er hielt sie nach dem gestrengen Maß seiner tränenden Augen ganz einfach für unrentabel. So manch ein Fabrikbesitzer, der sich an den verabredeten Boykott hielt, hat seine Materialien von weit her geholt, auch aus Wien, woher doch der Österreicher stammte. Die Industriellen haben wegen der weiten Transportwege hohe Einbußen in Kauf genommen. Es haben sich auch kleine Händler an den Boykott gehalten, die wegen der hohen Kosten gar keinen Gewinn mehr hatten, und so hat der Boykott über Nacht so mancher Familie den Ruin gebracht.
    Es hat aber einige arme Kerle gegeben, die haben den Boykott unterlaufen und damit ein gutes Geschäft gemacht. Das waren die safranfarbenen Brüder Samek und Poldek Teitelbaum. Die Brüder mussten jeden Tag eine neue Arbeit finden, um die bitterste Not von ihren Familien abzuwenden, verdient haben sie aber nie genug, um ihre Familien satt zu kriegen. So fehlten dem Schuhfabrikanten Mordechai einmal Nägel von einer bestimmten Sorte, und die Teitelbaums haben sich zu Fuß über die Grenze nach Beuthen aufgemacht und im Rucksack die Nägel zurückgebracht. Oder sie haben beim Ausschlachten eines aufgelösten Hutgeschäfts billige Restware entdeckt und einen Käufer dafür gesucht. Sehr bald hörten sie auf der Straße vom Boykott deutscher Waren und witterten ein Geschäft. Die Teitelbaum-Brüder haben auch Radio gehört, aber die hat der Applaus für den Österreicher nicht interessiert. Sie heuerten einige Bachmanns an, die seit dem Boykott spürbare Einbußen hatten, dazu ein paar kräftige Kutscher, die ohne Arbeit am Bahnhof herumstanden. Spätabends, es war schon stockfinstere Nacht, sind sie mit den Pferdewagen losgezogen. Spät nach Mitternacht, als alle schliefen, haben sie die von den Schlesiern gekauften Waren über die Grenze gebracht und den Boykott durchbrochen. Sie haben es ihrer Kundschaft sehr leicht gemacht, ihnen Zink und Stahl, Messing und Silber, Töpfe und Pfannen, Schaufeln und Scheren billig und bequem mit den Pferdewagen ins Haus geliefert.
    Und so sind die Teitelbaum-Brüder reich geworden, und die Teitelbaum-Frauen haben sich auf dem dritten Hinterhof, unter den neidischen Augen ihrer Nachbarn die Schneiderin Rywka Scheina, Mireles Mutter, ins Haus geholt und
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