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Und alles nur der Liebe wegen

Und alles nur der Liebe wegen

Titel: Und alles nur der Liebe wegen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht an.«
    »Und was wollen Sie dann machen?«
    »Ich trete ins Architekturbüro meines Vaters ein. Sie wissen doch, im Zeichnen habe ich eine Eins. Die einzige im Zeugnis unter lauter Fünfen. Vielleicht werde ich Architektin. Innenarchitektin. Von schönen Dingen verstehe ich was.« Sie blickte Dr. Hembach erwartungsvoll an. »Was halten Sie davon?«
    »Das müssen Sie mit Ihrem Vater ausmachen«, erwiderte er. »Und jetzt betrachte ich Ihren Besuch als beendet.«
    »Sie schmeißen mich raus?« Karin erhob sich langsam. Ihre ganze Angriffslust war auf einmal in sich zusammengefallen. Sie fühlte sich erschöpft und traurig.
    »Hm.« Dr. Hembach fuhr sich nervös durch die Haare.
    Sie nickte, ging an ihm vorbei und blieb in der winzigen Diele stehen.
    Der Lehrer zögerte, schloß die Tür zum Treppenhaus nicht auf, sondern spielte an seiner Krawatte. »Sie haben noch das Negativ des Fotos vom Wolfgangsee?« fragte er dann.
    »Nein.« Karin sah zu Boden. »Das hat der Fotograf.«
    »Geben Sie mir alle Bilder.«
    »Ich möchte eins behalten, Herr Doktor.«
    »Nein! Wozu denn?«
    »Ich … ich war so glücklich an diesem Abend.« Sie hob den Kopf und sah ihn an, in ihren tiefblauen Augen standen Tränen. Und plötzlich war alles ganz anders …
    Er umfaßte ihre Schultern und zog sie zu sich herab. »Was haben Sie, Karin?« fragte er leise.
    »Das darf ich Ihnen nicht sagen.« Sie schluchzte auf und drückte ihr Gesicht an seine Brust. »Es ist alles so verrückt, Herr Doktor«, schluchzte sie, »so blöd und doch so wahr, völlig sinnlos, und doch kann ich es nicht … Ich … ich liebe Sie!«
    Dr. Hembach stand eine Weile stumm und hielt das weinende Mädchen an sich gepreßt. In diesen wenigen Sekunden sah er alles vor sich: sein weiteres Leben, die Konsequenzen, den Ärger mit den Behörden und auch das unbeschreibliche Glück. »Karin«, sagte er leise. Er hob ihren Kopf und streichelte ihr Gesicht. »Es ist wirklich verrückt, aber ich fürchte, wir können nicht mehr dagegen an. Wir sind keine Übermenschen.« Er küßte sie, und es war eine Seligkeit in ihnen, die einer Verzauberung glich.
    Eine Stunde später schrieb Dr. Hembach sein Gesuch um eine sofortige Versetzung an ein Jungengymnasium. Er hatte die Würfel seines Lebens geworfen und hoffte, daß sie alle auf die Sechs fielen.
    Die Nachricht von dem Unglück auf der Autobahn traf Lucia während der Massage. Als sie hörte, was passiert war, wurde sie weiß bis in die Lippen. »O Gott«, murmelte sie, »meine Kinder … mein Mann.« Und zu der Masseuse gewandt, fuhr sie stockend fort: »Ich muß zu ihnen, sie sind verunglückt, auf der Autobahn verunglückt.« Während sie sich mit zitternden Händen ankleidete, bat sie Gott, es möge das alles nur ein böser Traum sein. Dann rief sie nach Karin. »Wo ist Karin? Wir müssen sofort fahren! Himmel, wo ist denn Karin schon wieder? Wir müssen sofort fahren!«
    »Ich werde Ihnen einen Leihwagen kommen lassen, mit Chauffeur«, schlug die Masseuse vor.
    »Tun Sie alles, nur schnell, schnell!« Lucia schlug die Hände vor die Augen. »Sie sind in voller Fahrt in einen Hang hineingerast. Ausgerutscht bei Regen! O Himmel, meine Familie!«
    Die Masseuse rief eine Mietwagenfirma an. »In einer halben Stunde ist der Wagen hier«, erklärte sie ruhig, »und nun seien Sie vernünftig und nehmen eine Beruhigungstablette, sonst halten Sie die Fahrt nicht durch.«
    Lucia registrierte die Besonnenheit dieser Frau mit Dankbarkeit.
    Sie konnten erst nach einer Stunde fahren, weil Karin nicht früher nach Hause kam. Wie ein beschenktes Kind sprang sie die Treppen hinauf und lief ihrer Mutter mit ausgebreiteten Armen entgegen. Erst dann sah sie, daß die Mutter verweinte, rotgeschwollene Augen hatte und ein dunkles Kostüm trug.
    Der Freudenschrei blieb Karin im Hals stecken. Es war ihr, als stoße eine unsichtbare Faust sie zurück. »Was … was ist, Mutti?« stotterte sie.
    »Papi, Monika, Peter, Schachtner … auf der Autobahn!«
    »Nein«, schrie Karin auf, »nein!«
    »Sie sind alle verletzt. Sie leben noch. Wir fahren sofort zu ihnen!«
    Die Fahrt in dem großen, dunklen Wagen verlief stumm. Der Chauffeur fuhr schnell, aber sicher. Die Kilometer rasten unter ihnen weg. Felder, Wälder, Städte, Dörfer – sie sahen sie nicht. Erst nach einer Stunde wandte sich Lucia ihrer Tochter zu. Karin saß zusammengesunken in den Polstern.
    »Wo warst du, Karin?«
    »Bei Dr. Hembach.«
    »Was wolltest du denn da?«
    »Ihm sagen,
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