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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite
Autoren: Clive Cussler
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bekam nur Schweigen zur Antwort. Er schloß die Augen, betete, versuchte es noch einmal. Die Verbindung zum anderen Flußufer war tot. Fieberhaft drehte er die Wählscheibe, stellte auf den Cummings-Wray-Sender ein und verlangte den Telefonisten in Albany. Er hörte nur Nebengeräusche.
    »Ich komme nicht durch.« Er verspürte einen bitteren Geschmack im Mund. »Der Sturm hat die Verbindungen unterbrochen.«
    Der Telegrafenschlüssel begann zu ticken. »Die Telegrafenlinien sind noch offen«, stammelte Meechum. »Das ist Standish mit seinem nächsten Schachzug.«
    Mühsam und unter Schmerzen schleppte er sich bis zum Tisch, griff hinauf, unterbrach die eintreffende Meldung und tippte einen Notruf. Dann warteten die beiden Männer schweigend.
    Der Wind blies durch die Tür, ließ lose Papierfetzen auffliegen, fuhr ihnen durch das Haar.
    »Ich werde Albany benachrichtigen«, sagte Meechum schließlich. »Gehen Sie zur Brücke.«
    Wie im Traum sprang Harding auf den Bahndamm, rannte atemlos über die unebenen Gleisschwellen, fühlte Panik in sich aufsteigen. Bald geriet er ins Keuchen und hatte ein Gefühl, als wolle sein wild pochendes Herz ihm aus den Rippen springen.
    Er erreichte die Höhe des Hangs und eilte unter den Brückenträgern der Böschung am westlichen Ufer entlang der Mitte der Deauville-Hudson-Brücke zu. Er stolperte, schlug hin, stieß sich das Knie an einer Schienenschraube auf. Er erhob sich taumelnd und lief weiter. Am äußeren Rand der Mittelspanne blieb er stehen.
    Sein Körper verkrampfte sich vor Übelkeit, und ein eisiger Schauer durchrann ihn. Wie betäubt stand Harding da und starrte ungläubig vor sich hin.
    Wo die Mitte der Brücke gewesen war, klaffte gähnende Leere. Der ganze Streckenteil war in den kalten, grauen Fluten des Hudson fünfzig Meter tiefer versunken. Und mit ihm der Passagierzug und hundert Männer, Frauen und Kinder.
    »Tot… alle tot!« schrie Harding in hilfloser Wut aus. »Und das alles wegen achtzehn Dollar und vierzehn Cents.«

ERSTER TEIL
    ROUBAIX’ WÜRGESCHNUR
     

4
    FEBRUAR 1989,
WASHINGTON D. C.
    Der lässig im Fond eines Ford Sedan sitzende Mann fiel niemandem auf, als der Wagen langsam durch die Straßen von Washington fuhr. Die Fußgänger, die an den Verkehrsampeln der Kreuzungen an ihm vorübereilten, hätten ihn für einen Zeitungsverkäufer halten können, der von seinem Neffen zur Arbeit gefahren wurde. Niemand nahm auch nur die leiseste Notiz vom Kennzeichen des Weißen Hauses auf dem Nummernschild.
    Alan Mercier war plump, fast kahlköpfig und hatte ein joviales Falstaffgesicht, hinter dem sich ein scharfsichtiger, analytischer Verstand verbarg. Er legte keinen Wert auf gute Kleidung, trug stets verbeulte und zerknitterte billige Konfektionsanzüge, in deren äußerer Brusttasche ein schlecht gefaltetes weißes Leinentaschentuch steckte. Das war ein Erkennungszeichen, das die Karikaturisten mit heller Begeisterung zu übertreiben pflegten.
    Mercier war kein Zeitungsverkäufer. Erst vor kurzem zum Sicherheitsberater des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten ernannt, war er in der Öffentlichkeit noch nicht bekannt.
    Nur in akademischen Kreisen hatte er sich durch seine scharfsinnige Gabe, internationale Ereignisse vorauszusehen, einen gewissen Ruf aufgebaut. Zur Zeit, als der Präsident auf ihn aufmerksam wurde, war er der Direktor der Planungskommission für die Weltkrise gewesen.
    Er setzte sich seine Drahtbrille auf die Knollennase, nahm eine Aktenmappe auf die Knie und öffnete sie. Die untere Klappe mit einem Displaygerät und einer Tastaturkonsole zwischen zwei Reihen farbiger Lichtknöpfe hing herab. Mercier tippte eine Zahlenkombination, wartete einen Augenblick, während das Signal durch Satelliten zu seinem Büro im Weißen Haus zurückgestrahlt wurde. Dort setzte sich ein von seinen Mitarbeitern programmierter Computer in Bewegung und begann, ihm seinen Arbeitsplan für den Tag zu übertragen.
    Die nun eintreffenden Daten kamen im Code an, wurden in Tausendstelsekunden von dem mit Batterie betriebenen Mikroprozessor auf seinem Schoß elektronisch entschlüsselt, und dann erschien der Endtext in grüner Schrift auf dem Bildschirm.
    Zuerst kam die Korrespondenz, gefolgt von einer Reihe von Memoranden seiner Mitarbeiter.
    Dann kamen die Tagesberichte verschiedener Regierungsstellen, der vereinigten Generalstäbe und des Direktors der CIA. Er nahm sie rasch in sein Gedächtnis auf, bevor er sie wieder von der Mikroprozessoreinheit
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