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Um Haaresbreite

Um Haaresbreite

Titel: Um Haaresbreite
Autoren: Clive Cussler
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den erschöpft in seinem Stuhl zusammengesunkenen Mann. »Ich finde, Mr. Pitt sollte diese Ehre haben. Er ist der Repräsentant jener, die dafür gestorben sind.«
    Pitt setzte sich auf. »Ich? Ich kann mich doch nicht vor hundert Millionen Fernsehzuschauern zeigen und eine Rede des Präsidenten unterbrechen. Und in diesem Aufzug? Man wird mich für einen Besoffenen halten.«
    »Das verlangt niemand von Ihnen.« Mercier lächelte. »Ich werde den Präsidenten unterbrechen und ihn in das Vorzimmer bitten. Dann sind Sie an der Reihe.«
    Die Führer der kanadischen Regierung im roten Sitzungssaal des Senats trauten ihren Ohren nicht, als der Präsident der Vereinigten Staaten ihnen Verhandlungen für einen Zusammenschluß der beiden Nationen vorschlug. Niemand hatte zuvor davon gehört. Nur Sarveux blieb völlig ruhig und gelassen mit undurchschaubarem Gesicht.
    Ein Raunen ging durch den Saal, als der Sicherheitsberater des Präsidenten an das Rednerpult trat und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Die Unterbrechung einer so wichtigen Rede war ein Bruch der Gepflogenheiten und erregte natürlich großes Aufsehen.
    »Bitte, entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, sagte der Präsident, wodurch die Spannung noch erhöht wurde. Er drehte sich um und ging ins Vorzimmer.
    In den Augen des Präsidenten sah Pitt wie ein aus der Hölle Entkommener aus. Er ging auf ihn zu und umarmte ihn.
    »Mr. Pitt, Sie ahnen nicht, wie glücklich ich bin, Sie zu sehen!«
    »Verzeihen Sie die Verspätung«, war alles, was Pitt als Antwort einfiel. Dann zwang er sich zu einem schiefen Lächeln und reichte ihm das durchlöcherte Stück Papier. »Der Nordamerikanische Vertrag.«
    Der Präsident las aufmerksam den Inhalt durch. Als er aufblickte, standen Tränen in seinen Augen. In einem selten Augenblick der Rührung murmelte er ein ersticktes »Danke«
    und entfernte sich wieder.
    Mercier und Moon setzten sich vor den Fernsehschirm und sahen, wie der Präsident an das Rednerpult zurückkehrte.
    »Meine Herren, verzeihen Sie die Unterbrechung, aber ein Dokument von großer historischer Bedeutung ist mir eben überreicht worden. Es handelt sich um den Nordamerikanischen Vertrag…«
    Zehn Minuten später schloß der Präsident feierlich: »… und so haben Kanada und die Vereinigten Staaten fünfundsiebzig Jahre lang im Lichte dieser vertraglichen Abmachung als zwei separate Länder existiert, ohne zu wissen, daß sie bereits vereint waren…«
    Mercier seufzte erleichtert auf. »Gott sei Dank hat er sie nicht vor den Kopf gestoßen und ihnen erzählt, daß sie uns gehören.«
    »Die Zukunft wird uns nicht gewogen sein«, fuhr der Präsident fort, »wenn wir die ungeheuren Möglichkeiten, die unsere einstigen Führer uns vorgezeichnet haben, außer acht lassen.
    Wir dürfen nicht länger voneinander wie in der Vergangenheit getrennt bleiben. Wir dürfen uns nicht länger als englische Kanadier oder Angloamerikaner oder französische Kanadier oder mexikanische Amerikaner betrachten. Wir sollten endlich einsehen, daß wir alle Nordamerikaner sind. Denn wir haben nur eine Heimat: Nordamerika…«
    Die Parlamentsabgeordneten und die Premierminister der Provinzen reagierten verschieden.
    Einige saßen in stiller Wut, andere wurden nachdenklich, andere wieder nickten zustimmend.
    Es war jedoch allen klar, daß der Präsident den Vertrag nicht als Druck- oder Zwangsmittel zu benutzen beabsichtigte.
    Obgleich sie genau wußten, daß er die Macht dazu hatte.
    »Historisch sind wir eng miteinander verbunden, und unsere Völker gleichen sich in ihrem Lebensstil und ihren Ansichten.
    Der einzige fundamentale Unterschied zwischen uns sind unsere bisherigen Begriffe von Tradition… Wenn die Provinzen Kanadas getrennte Wege einschlagen, steht ihnen eine lange und beschwerliche Reise bevor, die letztendlich zum Konflikt mit anderen führen muß. Im Interesse aller darf das nicht geschehen.
    Deshalb rufe ich Sie auf, gemeinsam mit mir die mächtigste Nation der Erde aufzubauen… die Vereinigten Staaten von Kanada.«
    Die Rede des Präsidenten wurde mit lauem und spärlichem Beifall aufgenommen. Die Zuhörer saßen benommen da, wußten nicht recht, was sie mit diesem Vorschlag anfangen sollten.
    Aber das Undenkbare war endlich in aller Offenheit ausgesprochen.
    Mercier seufzte und stellte den Fernsehapparat ab. »Der Anfang ist gemacht«, sagte er leise.
    Oates nickte. »Gott sei Dank kam der Vertrag rechtzeitig an, denn sonst wäre es zu einer politischen
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