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Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses
Autoren: James Joyce
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schweigend, ernst.
    Stephen, einen Ellbogen auf den schartigen Granit gestützt, lehnte die Stirn gegen die Handfläche und starrte auf den sich abnutzenden Rand seines glänzenden schwarzen Rockärmels. Schmerz, der noch nicht der Schmerz der Liebe war, fraß ihm am Herzen. Still, im Traum, war sie zu ihm gekommen nach ihrem Tode, ihr ausgezehrter Leib in seinen losen braunen Grabkleidern einen Duft verströmend von Wachs und Rosenholz, ihr Atem, der sich über ihn gebeugt hatte, stumm, vorwurfsvoll, ein schwacher Duft von feucht gewordener Asche.
    Über den fadenscheinigen Stulpenrand sah er die See, begrüßt als große liebe Mutter von der wohlgenährten Stimme neben ihm. Der Ring aus Bai und Horizont umschloß eine träge trübgrüne Masse Flüssigkeit. Ein Becken aus weißem Porzellan hatte neben ihrem Totenbett gestanden, darin die grüne zähe Gallenmasse, die sie unter lautem Stöhnen in Brechanfällen ihrer verfaulenden Leber entrissen hatte.
    Buck Mulligan wischte wieder sein Rasiermesser ab.
    - Ach du armes Hundeaas, sagte er mit freundlicher Stimme. Ich muß dir mal ein Hemd schenken und ein paar Rotzfahnen. Wie sind denn die gebrauchten Hosen?
    - Sie passen ganz gut, antwortete Stephen.
    Buck Mulligan ging gegen die Grube unter seiner Unterlippe vor.
    - Zweiterhand nennt man das, so was Komisches, sagte er zufrieden. Dabei müßte es doch eigentlich zweitenbeins heißen. Weiß der liebe Gott, was für ein syphilitischer Saufkopp da den Hintern drin gehabt hat. Ich hab noch ein hübsches Paar, mit einem Haarstreifen, grau. Würde dir klasse stehen. Das mein’ ich im Ernst, Kinch. Du siehst verdammt gut aus, wenn du angezogen bist.
    - Danke, sagte Stephen. Aber wenn sie grau sind, kann ich sie nicht tragen.
    - Dann kann er sie nicht tragen, teilte Buck Mulligan seinem Gesicht im Spiegel mit. Etikette bleibt Etikette. Seine Mutter bringt er um, aber graue Hosen kann er nicht tragen.
    Er klappte sein Rasiermesser säuberlich zusammen und prüfte mit streichenden Fingerfühlern die glatte Haut.
    Stephen wandte den Blick von der See und richtete ihn auf das feiste Gesicht mit den rauchblauen flinken Augen.
    - Der Bursche, mit dem ich im Ship zusammen war gestern abend, sagte Buck Mulligan, also der sagt, du hast die A.P.V. Er sitzt in Deppenstedt mit Conolly Norman. Allgemeine Paralyse der Verrückten.
    Er schwang den Spiegel im Halbkreis durch die Luft, um die Nachricht hinauszublitzen im Sonnenlicht, das jetzt leuchtend auf dem Meere lag. Seine sich kräuselnden rasierten Lippen lachten und die Schneiden seiner weißen schimmernden Zähne. Gelächter packte seinen ganzen starken wohlgestalteten Leib.
    - Guck dich doch mal an, sagte er, du gräßlicher Barde!
    Stephen beugte sich vor und lugte in den Spiegel, der ihm hingehalten wurde, von krummem Riß gespalten, Haar zu Berge. Wie er und die andern mich sehen. Wer hat dies Gesicht für mich ausgesucht? Dies Hundeaas, aus dem man erstmal die Schmarotzer kratzen müßte. Es fragt’s mich auch.
    - Hab ihn mir im Zimmer der Dienstzibbe geklemmt, sagte Buck Mulligan. Für die ist er grade richtig. Tantchen hält stets nur häßliche Dienstmädchen wegen Malachi. Führe ihn nicht in Versuchung. Und dann heißt sie auch noch Ursula.
    Erneut auflachend zog er Stephen den Spiegel vor den lugenden Augen weg.
    - Calibans Wut beim Nicht-Erblicken seines Gesichts in einem Spiegel, sagte er. Wenn doch Wilde bloß noch lebte, daß er dich sehen könnte.
    Stephen lehnte sich zurück, zeigte auf den Spiegel und sagte mit Bitterkeit:
    - Symbol der irischen Kunst. Der geborstene Spiegel eines Dienstmädchens.
    Buck Mulligan hakte sich plötzlich bei Stephen ein und schritt mit ihm auf dem Turm in die Runde, Rasiermesser und Spiegel klappernd in der Tasche, in die er sie gesteckt hatte.
    - Nicht gerade fair, dich derart aufzuziehn, Kinch, was? sagte er freundlich. Weiß Gott, du hast mehr Grips als die andern alle.
    Wieder pariert. Er fürchtet die Lanzette meiner Kunst, wie ich die der seinen fürchte. Die kalte Stahlfeder.
    - Der geborstene Spiegel eines Dienstmädchens. Erzähl das doch mal dem ochsigen Schnösel da unten und hau ihn um eine Guinee an. Der stinkt doch vor Geld, und für einen Gentleman hält er dich sowieso nicht. Sein alter Herr hat den Zulus Jalapen angedreht oder sonst einen dreckigen Schwindel und damit sein Moos gemacht. Gott, Kinch, wenn wir beide bloß zusammenarbeiten könnten, wir würden vielleicht was tun für die Insel! Sie
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