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Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses
Autoren: James Joyce
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erinnerten an einen Prälaten, Patron der Künste im Mittelalter. Ein freundliches Lächeln brach gelassen über seine Lippen.
    - So was Komisches, sagte er heiter. Dein absurder Name, ein oller Grieche.
    Er hob gutmütig scherzhaft den Finger und ging, vor sich hinlachend, hinüber an die Brustwehr.
    Stephen Dedalus kam heraufgestiegen, folgte ihm müde den halben Weg und setzte sich auf die Kante des Geschützlagers, still weiter beobachtend, wie er seinen Spiegel auf die Brustwehr stellte, den Pinsel in das Becken stippte und sich Wangen und Hals einseifte.
    Buck Mulligans heitere Stimme plauderte fort.
    - Mein Name ist genauso absurd: Malachi Mulligan, zwei Daktylen. Aber er hat was Hellenisches im Klang, oder? Flott und sonnig wie Buck, der Bock und Lebemann, höchstselbst. Wir müssen unbedingt mal nach Athen. Kommst du mit, wenn ich’s schaffe, daß die Tante zwanzig Pfundchen rausrückt?
    Er legte den Pinsel beiseite und schrie, vor Vergnügen lachend:
    - Kommt er mit, der jecke Jesuit?
    Abbrechend begann er sich mit Sorgfalt zu rasieren.
    - Hör mal, Mulligan, sagte Stephen ruhig.
    - Ja, mein Schatz?
    - Wie lange will Haines eigentlich hier noch mit im Turm bleiben?
    Buck Mulligan zeigte eine rasierte Wange über die rechte Schulter.
    - Gott, ja, ein gräßlicher Kerl, gelt? sagte er freimütig. Ein schwerfälliger Angelsachse. Du bist kein Gentleman für ihn. Gott, diese verdammten Engländer. Platzen vor Geld und vor Blähungen. Denn er kommt von Oxford. Und weißt du, Dedalus, du hast ja nun die richtige Oxford-Art. Er wird nicht schlau aus dir. Ah, mein Name für dich ist doch der beste: Kinch, die Messerklinge!
    Er schabte sich behutsam das Kinn.
    - Die ganze Nacht hat er von einem schwarzen Panther gefaselt, sagte Stephen. Und wo sein Gewehr wäre.
    - Ein armer Irrer, sagte Mulligan. Hattest du Schiß?
    - Hatte ich, sagte Stephen mit Überwindung und wachsender Furcht. Hier draußen im Dunkeln mit einem Menschen, den ich nicht kenne und der vor sich hin phantasiert und stöhnt, er will einen schwarzen Panther schießen. Du hast schon Menschen vorm Ertrinken gerettet. Aber ich, ich bin kein Held. Wenn er hier bleibt, verschwinde ich.
    Buck Mulligan blickte mißmutig auf den Seifenschaum an seinem Rasiermesser. Er sprang herunter von seinem hohen Sitz und begann hastig seine Hosentaschen zu durchsuchen.
    - Sauerei! schrie er dumpf.
    Er kam herüber zum Geschützlager, fuhr Stephen mit der Hand in die obere Tasche und sagte:
    - Gestatten der Herr mal die Rotzfahne, daß ich mein Messer abwischen kann.
    Stephen litt es, daß er ihm das schmutzige zerknüllte Taschentuch herauszog und es hoch an einem Zipfel zur Schau hielt. Buck Mulligan wischte säuberlich das Messer ab. Dann betrachtete er das Taschentuch und sagte:
    - Des Barden Rotzfahne. Eine neue Kunstfarbe für unsere irischen Poeten: Rotzgrün. Kann man fast schmecken, was?
    Er stieg wieder auf die Brustwehr und blickte hinaus auf die Bai von Dublin, sein helles eichenmattes Haar regte sich leicht.
    - Mein Gott, sagte er still. Ist die See nicht genau was Algy sie nennt: eine graue liebe Mutter? Die rotzgrüne See. Die skrotumzusammenziehende See. Epi oinopa ponton . Ah, Dedalus, die Griechen!
    Ich muß dir Unterricht geben. Du musst sie im Original lesen. Thalatta! Thalatta! Sie ist unsere große liebe Mutter. Komm her und sieh.
    Stephen stand auf und ging hinüber an die Brustwehr. Sich darauf lehnend, blickte er hinab auf das Wasser und auf das Postboot, das sich eben aus der Hafeneinfahrt von Kingstown löste.
    - Unsere mächtige Mutter, sagte Buck Mulligan.
    Er wandte abrupt die großen suchenden Augen ab von der See und Stephens Gesicht zu.
    - Die Tante ist der Meinung, du hast deine Mutter umgebracht, sagte er. Deswegen will sie auch nicht, daß ich mit dir verkehre.
    - Irgendwer hat sie umgebracht, sagte Stephen düster.
    - Du hättest dich ja verdammtnochmal auch hinknien können, Kinch, als deine sterbende Mutter dich darum bat, sagte Buck Mulligan. Ich bin genauso ein Hyperboreer wie du. Aber wenn ich denke, daß deine Mutter dich mit ihrem letzten Atemzug anbettelt, du sollst doch niederknien und für sie beten! Und du sagst nein! Mensch, du hast was Unheimliches in dir…
    Er brach ab und seifte wieder leicht die entferntere Wange ein. Seine Lippen kräuselte ein nachsichtiges Lächeln.
    - Aber ein reizender Komödiant, murmelte er bei sich. Kinch, der reizendste Komödiant von allen.
    Er rasierte sich gleichmäßig und mit Sorgfalt,
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