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Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses
Autoren: James Joyce
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schnellte er seinen Tischgenossen je eine aufgespießte dicke Scheibe Brot zu.
    - Das ist das richtige Völkchen, sagte er ganz ernsthaft, für dein Buch, Haines. Fünf Zeilen Text und zehn Seiten Anmerkungen über das Volk und die Fischgötter von Dundrum. Gedruckt bei den Unheilsschwestern im Jahre des großen Winds.
    Er wandte sich Stephen zu und fragte mit geziert verwirrter Stimme, die Brauen hebend:
    - Entsinnst du dich, Bruderherz, kommt der besagte Tee- und Wassertopf von Mutter Grogan nun eigentlich in den Mabinogion vor oder in den Upanischaden?
    - Das möchte ich bezweifeln, sagte Stephen ernst.
    - Ach wirklich? sagte Buck Mulligan im nämlichen Ton. Deine Gründe, bitte?
    - Es dürfte ihn, sagte Stephen, während er aß, weder in den noch außerhalb der Mabinogion gegeben haben. Mutter Grogan war, nimmt man an, eine Verwandte von Mary Ann.
    Buck Mulligans Gesicht lächelte vor Vergnügen.
    - Charmant, sagte er mit affektiert süßer Stimme, die weißen Zähne zeigend und wonnig mit den Augen plinkernd. Meinst du wirklich, das war sie? Sehr charmant.
    Dann plötzlich überwölkten sich all seine Züge, und während er wieder heftig auf den Brotlaib einsäbelte, grölte er mit verheiserter kratzender Stimme:
    - Die Mary Ann, oho,
    Die ist ja gar nicht so:
    Wenn die mal ihre Röcke hisst…
    Er stopfte sich den Mund mit Gebratenem voll und mampfte und brummte.
    Der Türgang wurde von einer eintretenden Gestalt verdunkelt.
    - Die Milch, Sir.
    - Komm’ Sie rein, Ma’am, sagte Buck Mulligan. Kinch, angel dir mal den Krug.
    Eine alte Frau trat heran und blieb neben Stephen stehen.
    - Ein herrlicher Morgen heute, Sir, sagte sie. Ehre sei Gott.
    - Wem? sagte Buck Mulligan mit einem raschen Blick auf sie. Ah ja, natürlich.
    Stephen langte hinter sich und nahm den Milchkrug vom Schränkchen.
    - Die Insulaner, sagte Mulligan beiläufig zu Haines, reden oft und gern vom Sammler der Vorhäute.
    - Wieviel, Sir? fragte die alte Frau.
    - Ein Quart, sagte Stephen.
    Er sah ihr zu, wie sie zuerst in das Maß, dann in den Krug die fette weiße Milch goß, nicht ihre.
    Alte verschrumpelte Titten. Sie goß ein zweites Maß, gab noch ein Quentchen zu. Alt und heimlich war sie eingetreten aus einer Morgenwelt, vielleicht eine Botin. Sie pries die Güte der Milch, während sie goß. Kauernd neben einer geduldigen Kuh bei Tagesanbruch im saftigen Feld, eine Hexe auf ihrem Giftpilz, die verrunzelten Finger behend an den sprudelnden Zitzen. Sie umbrüllten sie, die sie kannten, tauseidiges Vieh. Seide der Kühe und arme alte Frau, Namen, ihr einst vor Zeiten gegeben. Eine ewige Schlumpe, niedrig Gehäus’ von Unsterblichem, ihrem Eroberer dienend und ihrem heiteren Verräter, ihre gemeinsame Bettgenossin, eine Botin aus dem heimlichen Morgen. Zu dienen oder zu schelten, was davon, konnte er nicht sagen: doch er verschmähte es, um ihre Gunst zu buhlen.
    - Ja, in der Tat, Ma’am, sagte Buck Mulligan und goß Milch in ihre Tassen.
    - Kosten Sie mal, Sir, sagte sie.
    Er trank auf ihr Geheiß.
    - Wenn wir man immer so leben könnten, mit sowas Gutem im Magen, sagte er zu ihr etwas laut, dann hätten wir nicht das ganze Land voll verfaulter Zähne und verfaulten Gedärms. Aber da lebt man in einem Schlammpfuhl, frißt mieses Zeug, und die Straßen sind gepflastert mit Abfällen, Pferdemist und dem Auswurf von Schwindsüchtigen.
    - Sind Sie Medizinstudent, Sir? fragte die alte Frau.
    - Bin ich, Ma’am, antwortete Buck Mulligan.
    Stephen hörte in verächtlichem Schweigen zu. Sie beugt ihr altes Haupt vor einer Stimme, die laut zu ihr spricht, vor ihrem Knochenflicker, ihrem Medizinmann; mich schätzt sie gering. Vor der Stimme, die lossprechen wird und ölen fürs Grab alles, was an ihr ist, bis auf ihre weibsunreinen Lenden, aus Mannes Fleisch gemacht und nicht nach Gottes Bilde, der Schlange Raub. Und vor der lauten Stimme, die sie nun schweigen heißt, mit staunenden unsteten Augen.
    - Verstehen Sie, was er sagt? fragte Stephen sie.
    - Ist das Französisch, was Sie sprechen, Sir? sagte die alte Frau zu Haines.
    Haines hielt ihr wieder eine längere Rede, selbstsicher und zuversichtlich.
    - Irisch, sagte Buck Mulligan. Nichts mit Gälisch bei Ihnen?
    - Ich dachte mir schon, daß es Irisch ist, sagte sie, dem Klang nach. Sind Sie aus dem Westen, Sir?
    - Ich bin Engländer, antwortete Haines.
    - Er ist Engländer, sagte Buck Mulligan, und er findet, in Irland sollten wir Irisch sprechen.
    - Sollten wir bestimmt, sagte die alte Frau,
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