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Ultimo

Ultimo

Titel: Ultimo
Autoren: Hans-Peter Vertacnik
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exotischen Vögeln. Der Boden war ein filigranes Muster aus dunklen Mosaiken, hier und da lagen dicke rote Teppiche.
    Der riesige Raum sollte wohl ein Salon sein, doch es gab keine Sitzgruppen und Tischchen, keine Bücherschränke, keinen Flügel und auch keine Anrichte mit Porzellan und Glas.
    In der Mitte des Raumes, unter der Glaskuppel, stand ein rotes Möbelstück, das ihn zutiefst beunruhigte. Ein flaches, ausladendes Polster auf goldenen Füßen, einem Bett ähnlicher als einem Sofa, bedeckt mit einer Hügellandschaft von Kissen.
    Die einladende Schwülstigkeit dieses Lagers verwirrte ihn so sehr, dass ihm das Herz gegen die Magenwand schlug. Luise von Schattenbach hätte ihn auch gleich in ihr Schlafzimmer bitten können, die Wirkung wäre keine andere gewesen. Neben dem Polster duckte sich ein großer, niedriger Tisch, auf dem allerlei fremdartige Dinge lagen, die er noch nie zuvor gesehen hatte.
    Am anderen Ende des Raums stand ein mannshoher, ausladender Vogelbauer aus verschnörkeltem weißen Metall, der aus einem orientalischen Lustgarten zu stammen schien. Julius entdeckte darin allerdings keinen einzigen Vogel. Etwas in diesem Raum beunruhigte ihn zutiefst. Nichts darin schien nach Wien zu gehören, angefangen bei dem schwarzen Dienstmädchen. Jedem Ding, ja dem ganzen Haus schien etwas Fremdes, Fernes und Ungreifbares anzuhaften. Doch zugleich wurde ihm klar, dass er von Luise von Schattenbach natürlich keinen plüschigen Damensalon mit Schoßhündchen, Kuchenplatte und Ahnengalerie erwartet hatte.
    Von irgendwoher jenseits der Wände hörte er Schritte, nah und fern zugleich. Und da ertönte hinter ihm auf einmal ihre Stimme wie aus dem Nichts.
    „Sie haben sich einen guten Tag ausgesucht, Herr Pawalet.“
    Julius fuhr herum. Wo war sie so plötzlich hergekommen? Hinter ihr gab es keine weiteren Türen oder Durchgänge mehr. Sie war aufgetaucht wie durch den Willen eines Magiers. Doch die Frau, die vor ihm stand, hatte nichts mehr gemein mit Luise von Schattenbach. Diese Frau schien geradewegs einem schwülen, verwirrenden Traum entstiegen zu sein. Sie hatte nichts mehr von der etwas zerbrechlichen, distanzierten Frau, die an den alten Gemälden im Museum vorbeiwanderte. Vor Julius stand eine Königin, die nicht mehr wirkte wie eine Frau aus der Wiener Gesellschaft, sondern die die einschüchternde Aura einer ägyptischen Zauberin ausstrahlte.
    Luise von Schattenbach zeigte sich nicht mehr in einem eng geschnittenen Kostüm, mit zugeknöpfter Bluse und Hut, sondern in der betörenden Ungezwungenheit einer Haremsdame. Sie trug das Haar offen. Ihr Körper war vollständig verhüllt, aber der Stoff war so durchscheinend, dass Julius sich in atemlosen Ahnungen verlor und wünschte, sie hätte doch lieber etwas Strengeres gewählt.
    Sie trug einen fließenden bodenlangen Mantel, der mit einem langen Gürtel gebunden wurde. Das Licht, das vom Dach hereinfiel, meißelte ihre Arme, Beine, Hüften und Brüste aus dem Stoff heraus und verwandelte den Mantel in reine, herausfordernde Überflüssigkeit. Plötzlich fühlte er sich schäbig in seinem Anzug aus der Bedürftigenspende, und fast hatte er das Gefühl, als würde Johanna ihn am Ärmel zurückhalten.
    Luise von Schattenbach kam langsam auf ihn zu. Dieses Wesen schien nicht der Gattung Frau anzugehören. Dies war ein anderes Wesen, geformt aus Geheimnis, Verachtung und Wissen, geformt von den Händen eines alten Gottes, der es auf der Erde zurückgelassen hatte, damit es Unheil brachte wie die Büchse der Pandora.
    Luise von Schattenbach streckte eine Hand aus, und fasste die seine mit kühlem Griff.
    „Aber Herr Pawalet, ist Ihnen nicht wohl? Sie sehen krank aus!“
    Er räusperte sich die Sprachlosigkeit aus der Kehle. „Nein …ich … ich bin nicht krank. Mir scheint, ich habe Sie in einem … ungünstigen Moment aufgesucht …“
    Sie lachte ein sorgloses, wegwerfendes Lachen. „Aber nein! Sie kommen gerade richtig! Was bringt Sie zu dieser Annahme?“
    „Ihr Aufzug. Ich habe Sie offensichtlich beim Baden gestört.“
    Sie machte ein gespielt peinlich berührtes Gesicht, dann lächelte sie breit und zeigte ihm ihre ebenmäßigen Zähne. „Seien Sie nicht so einfältig! Haben Sie etwa gedacht, eine Dame würde ewig in Korsett und Hut stecken? Ich bitte Sie – gönnen Sie mir ein wenig Bequemlichkeit!“ Sie winkte ihn zu dem prachtvollen Sofa hin. „Kommen Sie, setzen Sie sich. Colette wird uns eine Erfrischung bringen.“
    In diesem Moment
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