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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition)
Autoren: Nora Hamilton
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aber sie wusste nicht, ob man es ihr ansah.
    Langsam, als bräche unter ihr der Boden, lief sie die wenigen Schritte zum Spiegel, stellte sich mit geschlossenen Augen davor und holte einmal ganz tief Luft.
    Dann öffnete sie die Augen und betrachtete sich. Was sie sah, kannte sie nicht, war ihr unvertraut, fremd sogar.
    Ihre Augen, noch immer grün wie der Bachelor-See, hatten jeden Glanz verloren. Hart wirkten sie, hart und kalt wie Eiskristalle.
    Von den Nasenflügeln zogen sich zwei Linien bis hinunter zu den Mundwinkeln, die sie noch nie zuvor an sich bemerkt hatte. Und der Mund selbst, einst rot und prall, sinnlich und verlockend, wirkte trocken und farblos.
    Selbst das Haar schien seinen Glanz eingebüßt zu haben. Ihr Vater hatte es, wenn sie im Schein der Kerzen oder Fackeln saßen, mit einem goldenen Heiligenschein verglichen.
    Jetzt schien es Funken zu sprühen. Funken, die nicht wärmten, sondern verbrannten. Sie hob die Hand und strich sich über das Haar. Es fühlte sich trocken und hart an, die Spitzen stachen ihr fast in den Finger.
    Erschrocken wandte sie sich ab. Sie drehte sich um und ließ den Blick durch das Zimmer schweifen.
    Zelda wusste, sie würde dieses Gemach als eine andere betreten, als sie es jetzt gleich verlassen würde.
    Die letzten Minuten ihres arglosen, unschuldigen Lebens hatten begonnen. Schon bald wäre sie mit Schuld beladen – und hatte doch nicht die Macht, dies zu verhindern.

20. Kapitel
    Selbst ihre Schritte schienen sich verändert zu haben. Wie kleine Schläge knallten die Absätze der Stiefel auf das Pflaster. Jeder Schritt ein kleiner Donnerhall.
    Elizabeth wartete in der Halle auf sie.
    Als sie Zelda sah, stand sie auf und ging auf sie zu.
    »Ich weiß nicht, was geschehen ist«, sagte sie und zog die junge Highlanderin in ihre Arme. Sie spürte, wie sich deren Körper versteifte. Mitleid durchflutete Elizabeth, und zu gern hätte sie Zelda geholfen.
    »Ich weiß nicht, wohin du gehst. Ich weiß nicht, was du vorhast. Aber ich bin sicher, du hast die richtige Entscheidung getroffen. Was immer auch geschieht, dich trifft keine Schuld.«
    Zelda löste sich aus Elizabeths Armen und sah die Freundin an. »Niemand ist ohne,Schuld«, sagte sie. »Niemand, der sich bekennen muss, kann das, ohne an einem anderen schuldig zu werden. Gott möge mir verzeihen.«
    »Gott möge dich schützen«, war alles, was Elizabeth darauf erwidern konnte.
    Dann ließ sie Zelda los, blieb stehen, wo sie war, und sah ihr mit hängenden Armen hinterher.
    Als sie Tür ins Schloss fiel, seufzte sie, dann faltete sie die Hände und betete.
    Zelda bemerkte nichts davon. Sie lief die Royal Mile hinab in Richtung Hafen. Doch entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit lief sie langsam. Sie betrachtete die Häuser, die rechts und links aufragten, als sähe sie diese zum ersten Mal. Nichts entging ihrem Blick. Es war, als hätte dieser Tag sogar Zeldas Wahrnehmung verändert. Sie betrachtete einen Rosenbusch, der vor einer Türin einem Kübel blühte, und hätte diesen Rosenbusch am liebsten umarmt.
    Selbst einen Straßenköter, der neugierig näher kam und nach ihrem Stiefel schnappte, betrachtete sie liebevoll.
    Es ist, als nähme ich Abschied, dachte sie und wunderte sich darüber. Es ist, als käme ich niemals mehr wieder.
    Das war nicht so, und doch war es so. Sie würde wieder kommen. In wenigen Stunden schon würde sie das Haus ihrer Tante wieder betreten. Doch sie würde nicht mehr die Zelda sein, die sie war.
    Sie war im Begriff, ihre Unschuld zu verlieren, und sie wusste es. Zumindest ahnte sie es.
    Zelda sah zum Himmel hinauf und wunderte sich über die blaue Klarheit, die sich schützend über die Stadt gelegt hatte.
    Es müsste regnen, dachte sie. Es müsste blitzen und donnern. Der Regen müsste vom Himmel strömen und alles wegwaschen. Aber noch gab es nichts, das weggewaschen werden musste.
    Sie war ans Ende der Royal Mile gelangt. Nun begann das Viertel der Handwerker.
    Aus einer offenen Tür erklang Lärm. Die zeternde Stimme einer Frau war zu hören, immer wieder unterbrochen von der dunklen Stimme eines Mannes.
    Sie sollten nicht streiten, dachte Zelda. Es wäre besser, sie liebten sich und zeigten es sich auch. Die Liebe ist so verletzlich und vergänglich, dass jede ungenutzte Gelegenheit doppelt schmerzt, ist sie erst vertan.
    Je näher Zelda der Stelle kam, an der sie mit Allistair verabredet war und die eben jene Stelle war, an der IanLaverty jeden Abend auf sie gewartet hatte, desto
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