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Ufer des Verlangens (German Edition)

Ufer des Verlangens (German Edition)

Titel: Ufer des Verlangens (German Edition)
Autoren: Nora Hamilton
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langsamer wurde ihr Schritt.
    Doch irgendwann war sie angekommen. Sie setzte sich auf einen Stein am Ufer und sah hinaus aufs Meer. Es war noch Zeit, die Sonne war noch nicht ganz dem Horizont entgegengefallen, die Kirchenglocken hatten erst die siebente Abendstunde verkündet.
    Sie hätte sich umsehen müssen, hätte nach Allistair Ausschau halten sollen, doch sie war wie gelähmt. Jede Bewegung fiel ihr schwer. Es schien unmöglich, den Oberkörper so zu drehen, dass sie sehen konnte, was hinter ihr war. Doch ihre Ohren hörten, was die Augen nicht sehen wollten.
    Schritte näherten sich ihrem Platz. Schritte, die sie seit ihrer Kindheit kannte und die als die Schritte des Feindes in ihr Gedächtnis eingegangen waren. Jetzt war aus dem Feind ein Freund geworden. Ein Verbündeter gegen den, den sie liebte.
    »Guten Abend, Zelda«, sagte Allistair und berührte flüchtig ihre Schulter.
    »Guten Abend, Allistair.«
    Sie rückte ein wenig und machte dem Mann, der bald schon ihr Gebieter sein sollte, Platz neben sich. Eine Weile schwiegen sie. Allistair starrte auf den steinigen Strand zu seinen Füßen. Er hatte die Beine gespreizt und die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt. Er sah aus, als dächte er nach.
    »Meinst du, er kommt?«, fragte Zelda, und in ihrer Stimme war die Bangigkeit nicht zu überhören.
    »Ja. Er wird kommen, da bin ich sicher«, antwortete Allistair Kingsley.
    »Was macht dich so sicher?«
    Er hob den Oberkörper und sah Zelda an. »Ich habeaihn heute Nachmittag in dem Pub am Hafen getroffen. Ich schlug ihm vor, heute Abend zu einem Würfelspiel zusammenzutreffen, doch er sagte, er habe keine Zeit. Dabei lächelte er. Ich fragte ihn, ob es irgendein Weib sei, welches ihm die Zeit für ein Spiel unter Männern raubte, und er erwiderte: »Nicht irgendein Weib, sondern das Urbild des Weibes schlechthin. Die Eva aus dem Paradies vor dem Sündenfall.«
    Auch Zelda lächelte, als sie diese Worte hörte, doch gleich darauf zog sich ihr Herz schmerzvoll zusammen.
    »Du wirst ihn nicht töten, nicht wahr?«, fragte sie bang.
    »Er bedeutet dir viel?«
    Die Frage ihres zukünftigen Mannes bestürzte sie. Sie schwieg eine kleine Weile, ehe sie erwiderte: »Wie kann mir ein Mann viel bedeuten, wenn ich doch bald die Frau eines anderen sein werde?«
    Sie rechnete damit, dass Allistair verärgert wäre, doch er sagte: »Liebe kann man nicht erzwingen. Wir wissen beide, dass Ehen in unserem Stand zumeist aus anderen Gründen geschlossen werden. Es bedeutet schon ein großes Glück, wenn man einander nicht verabscheut.«
    Er sah sie an und lächelte, doch in seinen Augen lagen Wehmut und Schmerz, deren Ursache Zelda nicht kannte und auch nicht erraten konnte.
    Sie legte ihm kurz eine Hand auf den Arm und sagte leise: »Ich mag dich, Allistair. Und ich hoffe, das reicht für den Rest unseres Lebens.«
    »Ich mag dich auch, Zelda. Ich habe dich immer gemocht und sogar bewundert. Selbst, als wir noch Feinde waren.«
    Wieder saßen sie schweigend nebeneinander, jeder inGedanken versunken, die mit dem anderen nichts zu tun hatten.
    »Du musst gehen«, sagte sie schließlich. »Du musst dich verbergen. Es wäre nicht gut, sähe Ian Laverty uns beide zusammen.«
    Allistair stand auf. Wieder legte er Zelda für einen kurzen Moment seine Hand auf die Schulter. Und Zelda war dankbar für diese Geste des Verständnisses. Sie legte ihre Hand auf seine, dann stand sie auf.
    »Töte ihn nicht. Ich bitte dich sehr darum«, sagte sie noch einmal.
    Allistair sah ihr in die Augen. »Ich werde tun, was ich kann. Aber was geschieht, wenn mir keine andere Möglichkeit bleibt?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Zelda, und Allistair bemerkte die unnatürliche Blässe in ihrem Gesicht. »Ich weiß es nicht. Aber ich werde für uns alle beten.«
    Sie sah zu Boden, betrachtete eine Muschel, die zu ihren Füßen lag. Dann hob sie entschlossen den Stiefel und trat mit aller Kraft auf das kalkige Gebilde. Die Muschel zerbarst mit einem Knirschen.
    »Es geht um Joan. Sie ist meine Schwester«, sagte Zelda leise. »Wir müssen sie finden, müssen sie befreien aus seinen Händen und sie dorthin zurückbringen, wo sie hingehört: auf die McLain-Manors.«
    »Was macht dich so sicher, dass Joan wirklich dorthin gehört?«, fragte Allistair.
    Zelda sah verwundert auf. »Wohin denn sonst? Dort ist ihr Zuhause, ihre Heimat. Dort sind die, die sie liebt und braucht«, sagte Zelda mit Überzeugung.
    »Ja, das stimmt wohl so.«
    Allistair nickte,
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